Köstliches und Kostbares

Wenn man auf drei Kontinenten zu Hause ist, wird die Beantwortung der Frage nach der Heimat zu einem Hindernislauf. Die Wurzeln sind unleugbar. Maryse Condé ist auf Guadeloupe geboren, lebte in Afrika, Frankreich und lehrte in den USA. Schon im Vorwort wird klar. Heimat ist dort, wo der Herd steht. Schon als Kind stromerte sie in der Küche herum und vermengte allerlei Zutaten zu einer leckeren Mahlzeit. Ihre Geschwister und ihre Eltern waren erstaunt. Das Hauspersonal ging der Kleinen zur Hand.

Die Leidenschaft zum Kochen, zum Bewirten und zum Essen war ihr in die Wiege gelegt worden. Früchte und Fleisch, Reis, deftige Soßen waren die ersten Beigaben zum Glücklichsein. Dieses Glücklichsein hat sie auf ihren Reisen und ihren Aufenthalten in der Ferne bewahrt. Immer gab es irgendwo ein afrikanisches Restaurant oder eine karibische Gruppe, die ihr die Heimat für einen Moment, für einen Abend zurückholte. Wenn Liebe durch den Magen geht, ist Maryse Condé eine geliebte Frau. 2018 wurde ihr der alternative Literaturnobelpreis verliehen. Auch eine Art Liebe zu zeigen.

Es gibt viele Romane, deren Helden sich durch ein reichhaltiges Menü der Sorgen des Alltags entledigen. Ob Camilleris Montalbano, Brunetti in Venedig oder Aurelio Zen, der in seiner Karriere in ganz Italien nicht nur Fälle löste, sondern auch die regionalen Küchen kennenlernen durfte, sie alle wurden am Kochtopf der Heimat ein Stück näher gebracht.

Dieses sehr persönliche Buch ist die konsequente Fortsetzung der Lebensgeschichte von Maryse Condé, die den Leser schon in „Victoire“ so facettenreich ihr Leben offenbarte. Sie würzt ihre Gedanken mit einer ordentlichen Portion Wucht an Worten. Man riecht die Zutaten förmlich, wenn sie in Erinnerungen schwelgt. Abgerundet wird jedes Kapitel mit der Zutat, ohne die jedes Gericht nur fad schmeckt: Liebe.

Ob nun Agouti-Ragout mit Bitterspinat, Garnelen, Zackenbarsch, Mafé, Flankoko (ohne Rum!, den wollte sie schon als Kind hinzugeben) – hier schmeckt einfach alles. Das einzige, was hier verwässert ist, ist der kiololo, ein mehr als dünner Kaffee wie man ihn in der kreolischen Küche oft findet. Ansonsten ist jedes Kapitel, jede Seite, jeder Absatz ein köstlicher und kostbarer Gruß aus der Küche der Erinnerungen.