Hirn und zehn Finger

Man fragt sich immer wieder, wie es derart kleine Bücher (und damit ist allein nur die haptische Dimension gemeint) immer noch und immer wieder schaffen Vergangenheit und Gegenwart so eindrücklich zu vereinen. Jugoslawien 1943. Die italienische Armee führt Krieg auf fremden Boden. Eine kleine Gruppe von … ja, was sind sie denn?: Slowenen, Kroaten, Serben? Kämpfer? Widerständler? … Menschen! Mit Anstand, Mut und Charisma beraubt die Aggressoren ihrer Munition. Munition im wortwörtlichen Sinne. Um ihrem Mut selbst Munition zu geben – im wortwörtlichen als auch im übertragenen Sinne. In den Wäldern sind sie sicher. Zumindest sicherer als auf weiter Flur. Doch die Sicherheit trügt. Die italienischen Soldaten kommen näher, durchforsten jeden Quadratzentimeter. Flucht oder Angriff? Flucht. Ja, weil sie nur einem Ziel dient: Endlich entscheidend anzugreifen. Die Beute soll die Wende herbeiführen. Und wenn nicht, dann wenigstens einen herben Rückschlag erzeugen.

Es sind junge Männer, vielleicht sogar noch halbe Kinder, die mit dem Mut der Verzweiflung nur ein Ziel kennen: Durchkommen, damit der Diebstahl der Munition nicht umsonst war. Doch die Flucht durch die Wälder, über Berge und Flüsse ist kein Zuckerschlecken. Die einzige Brücke ist hinweggeschwemmt worden. Eine Durchquerung des Flusses äußerst riskant. Blauäugig oder wohl durchdacht? Die Flussquerung wird zum Abenteuer.

Die Gruppe von Partisanen ist ein wild zusammengewürfelter Haufen. Auf dem Papier passen sie gar nicht zusammen. Doch der gemeinsame Feind lassen das Pamphlet der Vorurteile zusammengeknüllt im Morast der Zweifel verrotten. Nicht alle werden durchkommen. Niemand wird Zeit haben die Toten zu betrauern. Und nicht alle werden das ersehnte Ziel erreichen.

Gerald Kersh wacht über diese Truppe vermeintlicher Nichtzusammenpassender wie eine mütterliche Drohne. Er dirigiert sie in die richtige Richtung. Schonungslos lässt er Träume platzen. Unbarmherzig erzählt er ihre Geschichte. Ein kleines Buch, das jedoch auf jeder Seite so bedingungslos offen der Welt die Fratze der Gewalt zeigt. Wer Mut hat, kennt keine Grenzen. Ein Fluss ohne Brücke muss nicht zwangsläufig unüberwindbar sein. Nationalitäten und Ressentiments sind auf Papier gehaltene Klischees, für die das Leben der ultimative Tintenkiller ist. Ein braucht nicht viel, um voran zu kommen. Manchmal reichen ein Hirn und zehn Finger, um Großes zu schaffen.