Grünmantel

Irgendwo im erweiterten Speckgürtel von Berlin, in Grünmantel, sollte für die Bewohner das Paradies Wirklichkeit werden. Die alte Dorfgemeinschaft gibt es schon lange nicht mehr. Wenn es sie jemals gegeben hat. Vielleicht war auch sie nur eine Illusion, ein Klischee. Nun hat der Wandel auch diesen Flecken Erde erreicht. Nur das schnelle Internet weigert sich hier Einzug zu halten…

Da ist ein pensionierter Schuldirektor aus Düsseldorf. Typischer Lebensweg, wenn es auf die Zielgerade geht: Das fette Pensionskonto reicht zwar nicht für die Kanaren, aber für die brandenburgische Ebene ist es gut genug. Als Lebensziel hat sich Benzler den Naturschutzpark ausgesucht. Den will er zu einer Pracht verhelfen, die man noch nie gesehen hat. Opfer, sind diejenigen, die Land dafür aufgeben mussten. Dass er eine „Schwäche“ für jüngere Frauen, fast noch Mädchen hat, hilft ihm keineswegs bei der Verwirklichung seiner Träume.

Dass auch seien Ex-Frau Lena hier wohnt, macht es auch nicht besser. Sie und Dagmar, ihre jüngere Schwester hecken einen Plan aus, um nicht weiterhin von der dürftigen Abfindung Lenas leben zu müssen. Die ist eh schon aufgebraucht.

Rolle könnte dabei eine entscheidende, ja was schon? Rolle spielen. Er ist 15. Und bei der geplanten Entführung des „Pädos“ fällt bestimmt auch was für ihn ab. Seine „Mutter“, der so genannten Kameradschaft, Dorffaschos, die jedem Klischee entsprechen, hätte bestimmt nichts dagegen, wenn es mal ein bisschen rauer zugeht in der Uckermark.

Auch Karl Krassow wünscht sich Veränderungen. Sein Stottern behindert ihn schon sein ganzes Leben lang. Genauso wie seine unrühmliche Vergangenheit – jeder trägt halt sein Scherflein mit sich herum. Dass er der einzige Handwerker im Umkreis von gefühlten Tagesmärschen ist, lässt ihn allerdings so manchen Spott ertragen.

Manfred Maurenbrecher lässt in dem fiktiven Ort die Puppen tanzen. Woller Wortwitz und mit gerechtfertigter Zuneigung wird Grünmantel zum Schmelztiegel der Kulturen. Von wegen eingefleischte Dorfgemeinschaft. Hier kocht jeder sein eigenes Süppchen. Allianzen sind Zweckgemeinschaften, die alsbald wieder gelöst werden. Man muss sich arrangieren. Wer also meint der Großstadt Berlin den Rücken kehren zu müssen, weil Gentrifizierung und Stress zu viel werden, der wird in Grünmantel auf veränderte Bedingungen treffen. Ob die allerdings besser gehandhabt werden können als in Neukölln, Charlottenburg oder Köpenick?

Kein Atlas kennt Grünmantel. Das ist alles nur erfunden. Doch so real und nah wurde Fiktion selten beschrieben.