Germany 2064

Germany 2064

Der Titel verrät es: Wir sind im Deutschland des Jahres 2064. Viele heutige Leser werden diese Zeit nicht mehr erleben. Die, die dann noch leben, werden dieses Buch als Andenken á la „weißt Du noch“ von Wohnort zu Wohnort mitschleppen. Oder als Warnung oder als ein Ding aus einer anderen Welt.

Ein Konvoi wird lautlos überfallen. Fahrerlos steuern die Trucks ihrem Ziel entgegen. Immer im gleichen Abstand, von Drohnen überwacht. An Ultraleichtfliegern seilen sich nicht minder lautlos und präzise Männer herab und öffnen die Container. Das Objekt ihrer Begierde sind ungeheuer teure und ungeheuer effiziente Neobiotika. Sie stoppen die polyresistenten Bakterien. Der Verlust einer Drohne wird bemerkt. Doch da ist das geklaute Gut schon längst über alle Berge. Überwachung ist gut, doch wenn die Informationsübermittlung und deren Auswertung immer noch eine gewisse Zeit dauert, dient Überwachung nur bedingt der Prävention.

Bernd Aguilar, jahrgangsbester Polizist wird heute seinen neuen alten Partner wieder sehen. Roberto heißt er und ist ein AP, ein automatisierter Partner. Oder einfacher: Ein Roboter. Drei Jahre waren sie getrennt, einst waren sie das Traumpaar der Polizei. Roberto war zuverlässig, warf sich in die Schusslinie für seinen humanen Partner und war sogar ein bisschen eifersüchtig als Bernd „ein Eigenleben nach der Arbeit zu entwickeln begann“. Großer Bahnhof bei der Vorstellung des verbesserten Robertos. Randnotiz: Auch 2064 wird in einem Mercedes vorgefahren und die Presse veranstaltet ein Blitzlichtgewitter – manches ändert sich nie.

Den Gegenentwurf zur durchtechnisierten Stadtwelt bilden die freien Gebiete. Hier wird Gemüse angebaut, man folgt dem Sonnenstand, Live-Musik und einer Lebensweise fast ohne technische Hilfsmittel. Und es ist auch der Ort, an dem sich die High-Tech-Städter treffen, um zu essen. Das tut auch Friedrich Wendt, der Erfinder und Erbauer von Roberto. Zusammen mit Christina, einer Autorin, die er gern für sein Unternehmen gewinnen möchte, genießt der über Hundertjährige sein Mahl. Anschließend wollen sie auf dem Hof seines ehemaligen Angestellten Klaus Miller noch das Konzert von Hati Boran besuchen. Doch dazu soll es nicht kommen. Hati Boran wurde entführt. Angeblich von einem Roboter aus dem Hause Wendt.

Manchmal ist es doch besser nicht zu wissen, was die Zukunft bringt. Martin Walker zeigt in seiner Vision, was im Jahr 2064 alles möglich sein kann. Und so einiges ist gar nicht mehr so fern wie man meint. Erst vor Kurzem gab es wieder Meldungen, dass umfangreiche Tests mit selbstfahrenden LKWs erlaubt werden. Kurz vor Erscheinen des Buches lief im Fernsehen ein Beitrag über die Gefahr von Drohnen, die von Amateuren gesteuert werden. Immer wieder machen Horrormeldungen über resistente Bakterien die Runde. Wie weit sind wir von Germany 2064 noch entfernt? Neunundvierzig Jahre sind keine Ewigkeit…

Martin Walker verwebt die grundverschiedenen Lebenswelten zu einem utopischen Klangteppich ohne den Bezug zur Gegenwart zu verlieren. Als Mitglied des Think Tanks „Global Business Policy Council“ von A.T. Kearney, einer Beratungsgesellschaft, die auch deutsche Politiker zu ihren Klienten zählt, ist er sozusagen direkt den Geschehnissen der Gegenwart und Zukunft beteiligt. Normalerweise arbeiten diese Denkfabriken im Verborgenen. Martin Walker gewährt einen kleinen Einblick. Und an so mancher Stelle blitzt sogar Bruno auf. Beispielsweise dann, wenn Traditionen einfach nicht gebrochen werden dürfen, sondern das Bewährte sich bahnbricht. Spätestens beim Essgenuss hört der Fortschritt auf!