Das private Leben der Impressionisten

Das private Leben der Impressionisten

Unvorstellbar! Paris ein stinkendes Loch, keine Boulevards, keine Prachtbauten. Und zwischendrin Maler, die für ein paar Francs Monatsgebühr malten und malten und malten, nur um des Malens willen. Das Erscheinungsbild hat sich gewandelt: Paris ist eine der meist besuchten Städte der Welt. Und die Bilder von Claude Monet, Camille Pissaro und Paul Cezanne erzielen regelmäßig schwindelerregende Preise. Dieses Bild ist gerade mal reichlich anderthalb Jahrhunderte her. Monet malte Karikaturen und konnte schon gut davon leben. Cezannes Aktbilder erregten damals schon Aufsehen, öffentlich, weil die Damen nackt waren, bei Kollegen wegen des groben Stils. Hier im Atelier von Pere Suisse begann das, was alsbald als Impressionismus die Welt veränderte.

Sue Roe unternimmt mit dem Leser einen umfassenden bild- und wortgewaltigen Rundgang durch das Leben der Impressionisten. Sie führt an Orte, die vielfach auf Gemälden festgehalten wurden. Sie malt buchstäblich Bilder vom Schicksal einer Gruppe Künstler, die erst zweieinhalb Jahrzehnte später mit einer Ausstellung in Amerika den Ruhm zugesprochen bekam, der ihr zustand.

Cezannes Ankunft in Paris blieb Monet verborgen, er musste seinen Militärdienst in Algerien leisten. Nach seiner Rückkehr an die Seine besuchte er die Schule von Charles Gleyre. Dort studierten zu der Zeit auch Pierre-Auguste Renoir und Alfred Sisley. Das halbfertige Paris und die halbfertigen Impressionisten – eine brodelnde Zeit. Alle Künstler hatten sich bei ihren Studien kennengelernt. Edouard Manet hingegen stieß durch den von Napoleon III. angeregten Salon des Refusés der illustren Truppe. Hier wurden alle von der Akademie abgelehnten Bilder ausgestellt. Galeristen und Agenten gab es damals kaum bis gar nicht. Edouard Manet brachte Edgar Degas in die Gruppe ein. Die war nun fast komplett…

Paris als Lehrstätte war gerade gut genug. Ihrer Kunst gingen die Künstler vor den Toren der Stadt nach. Hier tummelten sie sich unter den Vergnügungssüchtigen der Stadt. Nach und nach bekommen ihre Bilder Struktur, werden durch Zolas Artikel einem breiteren Publikum zugängig. Anerkennung von der Akademie? Fehlanzeige! Werden zu Beginn des Buches die Grundlagen für den Leser gelegt, damit er Impressionismus, die Zeit, die Moralvorstellung erkennt, nimmt das Buch ab dem zweiten Viertel richtig Fahrt auf. Kleinere Streitereien – Degas liebt es Manet zu foppen, der wiederum ist genervt, das Monet von dessen Ruf zu profitieren scheint – bringen Schwung in die immer noch starre Gruppe.

Eine Biographie über einen Künstler zu schreiben, ist eine Aufgabe, die man nicht eben so erledigt. Archive müssen gewälzt, Experten befragt werden. Bei einer Biographie einer ganzen Künstlergruppe gibt es zwei Möglichkeiten: Man schreibt zu jedem der Mitglieder eine Biographie und versucht dann Parallelen und Schnittpunkte zu finden oder man macht es wie Sue Roe. Sie lässt das Leben der Mitglieder Revue passieren. Oft sind sie gemeinsame Wege gegangen, haben in den gleichen Cafés das Leben beobachtet und gemalt, diskutiert, später ihre Kunst hinterfragt und ihren eigenen Weg beschritten.

„Das private Leben der Impressionisten“ ist keine Aufzählung markanter Ereignisse im Leben einer Gruppe von Künstlern, die unverstanden erst spät in den Fokus der Öffentlichkeit traten. Sie waren zu Lebzeiten bekannte Künstler, mal mehr, mal weniger erfolgreich. Anerkannt bzw. bekannt waren sie allemal. Was dieses Buch von allen anderen derart hervorstechen lässt, ist die genüssliche und faktenreiche Erzählweise. Wie in einem fortschreitenden Roman treten reale Personen auf, die wie Du und Ich ihrer Leidenschaft frönten. Alle Anekdoten sind belegt, ihre Intensionen nachvollziehbar. Wer, wann, warum welchen Weg einschlug, bebildert Sue Roe mit Worten, die sich nicht hinter den Werken der Protagonisten verstecken müssen.