Ein Sizilianer von festen Prinzipien

Ein Buch, zwei Geschichten, zwei Ansichten. So schnöde und geheimnisvoll zugleich sich das anhören mag, so sehr ist man nach der Lektüre immer noch damit beschäftigt die Zeilen einzuordnen. Leonardo Sciascia war das Gewissen der Insel. Unbeirrbar – prinzipientreu – lag Sciascia dieses Buch so sehr am Herzen, dass er es am liebsten permanent umgeschrieben hätte. Doch er wusste auch, dass die Gefahr des „Verschlimmbesserns“ (auch wenn er diesen Begriff niemals verwendet hätte, sofern man ihn rückstandslos ins Sizilianische übertragen könnte) wie Damokles Schwert darüber schweben würde.

In „Der Tod des Inquisitors“ wird Fra Diego zum ungewollten Helden. Im 17. Jahrhundert haben die Spanier das Sagen über Sizilien. Und mit ihnen kam auch die Inquisition. Ein perfider Haufen tollwütiger zweifelhafter Idealisten, die mit Raffinesse und ungeheurer Gewalt ihrem eigenen Treiben durch Geständnisse eine Art Legitimation erlangen wollten. Fra Diego – ihn gab es wirklich – war einer, der sich diesem Treiben energisch entgegenstellte. Selbst unter der enormen Folter der Peiniger war sein Blick klar und geradeaus gerichtet. Sich der Gewalt beugen, kam für ihn nicht in Frage. Er ging sogar soweit seinem Peiniger den Schädel einzuschlagen. Wortwörtlich einzuschlagen! Das Ende: Der Scheiterhaufen. Für die meisten die letzte Chance sich reinzuwaschen – ergebnislos, wenn das Feuer einmal lodert, dann gibt es kein Zurück. Für Fra Diego „nur der Abschluss“ seines Lebens.

In der zweiten Geschichte geht es um einen Denunzianten im Chile der Pinochet-Diktatur. Einst lief er durch das gefürchtete Stadion, das zum Gefängnis umfunktioniert wurde, und zeigte mit dem Finger auf einstige Weggefährten. Ein Opportunist übelster Sorte, der nicht dem Mumm besaß sein Gesicht zu zeigen. „Der Mann mit der Sturmmaske“ versucht später Reue zu zeigen und wendet sich ein weiteres Mal. Er will Zeugnis ablegen und Reue zeigen, und zwar vor denen, die die Greueltaten aufzuklären versuchen. Ein schlussendlich sinnloses Unterfangen.

Beide Hauptfiguren sind literarische Helden, die in ihrem Tun die Aufmerksamkeit des Autors Sciascia erregten. Wobei es Sciascia wohlwollend vermeidet ihr Tun in Gut und Böse zu unterteilen. Er ist ein Chronist, der mit ironischen Mitteln das Treiben aller Beteiligten in ein Licht rückt, das viel Schatten wirft und somit Licht ins Dunkel bringt.

Der Essay von Maike Albath und der Text von Santo Piazzese sind – begreift man dieses Buch als typisch sizilianisches Menü mit der Einleitung der Verlegerin Monika Lustig als speichelanregende antipasto – sind das gelungene Dessert, nach dem man sich noch lange die Lippen lecken wird.