Die Reise des Horace Pirouelle

Reisepass, genügend Klamotten und Toilettenartikel eingepackt? Na dann kann die Reise ja losgehen! Sobald die Checkliste komplett abgehakt ist, beginnt der Urlaubsstress. Zumindest bei so manchem, der sich seit Wochen und Monaten auf die schönste Zeit des Jahres freut und alles akribisch vorbereitet. Aufbruchsstimmung nennt man das, oft endet es in Abbruchstimmung.

Horace Pirouelle bricht auf um aufzubrechen. Nichts mehr und nichts weniger. Grönland soll es sein. Sein Freund Julien – unter uns: Julien ist Philippe Soupault, der so poetisch diese Reise beschreiben wird, obwohl er gar nicht dabei sein wird – ist überrascht als der Freund ihm berichtet wohin es gehen soll. Denn Horace Pirouelle wurde einst in Liberia geboren. Quasi als Kontrastprogramm will er nun ins ewige Eis. Einfach so. Ja, wirklich, einfach so. Es gibt keinen triftigen Grund warum es ausgerechnet Grönland sein soll.

Die Reise beginnt. Und fast wie im Märchen, findet sich Horace auch bald in der Eiswüste zurecht. Dem Alltag der Eskimos kann er mühelos folgen. Anschluss findet er schnell. Doch irgendwann erdrückt ihn die Nähe, die man in Grönland so nicht erwartet.

Wer nun eine Reisebeschreibung vielleicht á la Joseph Conrad erwartet, kommt aus dem Staunen nicht mehr raus. Denn Monsieur Pirouelle sucht nicht das Besondere, er ist ja schon mittendrin. Er erinnert auch ein wenig an den Autor selbst. Entdecker wollte er werden, wenn er groß ist, meinte er in jungen Jahren. Und nun schickt er den erfundenen Horace Pirouelle in die Ferne nach Grönland. Alles hier ist anders. Keine Cafés, kein Eiffelturm, keine afrikanischen Rhythmen wie daheim in Monrovia, Liberia.

Philippe Soupault gibt dem Affen Zucker. Mit einer jungenhaften Freude schreibt er seinen Freund in ein Abenteuer, das der so schnell nicht vergessen wird. Sage und schreibe einhundert Jahre ist es her, dass dieser Kurzroman geschrieben wurde. In Europa wütete der Krieg. Revolutionen rückten Länder in den Fokus, die bisher nur am Rande oder in seltenen Fällen als eroberungswürdig wahrgenommen wurden. Schon zwei Jahre später wird Philippe Soupault zusammen mit André Breton den ersten surrealistischen Text „Die magnetischen Felder“ verfassen. Losgelöst von herrschenden Strukturen wollten sie die (Kunst-)Welt verändern. „Die Reise des Horace Pirouelle“ war der selbst gelegte Pfad auf diesem Wege.