Die Nacht der Physiker

Die Nacht der Physiker

Diese Nacht haben Otto Hahn, Carl Friedrich von Weizsäcker und Werner Heisenberg ihr Leben lang nicht vergessen: Als die Nachricht vom Abwurf der Atombombe auf Hiroshima die drei Physiker im englischen Farm Hall in der Nähe der Universitätsstadt Cambridge erreichte, waren sie geschockt. Otto Hahn bekannte gleich: „Ich bin schuld“.

Die drei waren in Deutschland anerkannte Atomwissenschaftler. Die Spaltung des Atoms öffnete den Forschern ungeahnte Möglichkeiten. Ihr ganzes Leben widmeten sie der Nutzbarmachung der so freigelegten Energie. An eine andere als friedliche Nutzung dachten sie erst viel später. Da war es allerdings schon zu spät. Kurz nach Kriegsende werden die Drei von den Alliierten gefangengenommen, um ihre Forschungen nicht weiter betreiben zu können. Denn sie waren verdammt nah dran den Nazis die Grundlagen für eine Atombombe vorzulegen. Nur gezielte Bombardierungen von Versorgungsstätten wie dem norwegischen Rjukan, wo das benötigte Deuteriumoxid, auch als schweres Wasser bekannt, hergestellt wurde, verzögerten die aller Wahrscheinlichkeit größte Katastrophe der Menschheit.

Forscher im Allgemeinen sind immer im Zwiespalt. Zum einen dienen ihrer Forschungen und deren Ergebnisse dem Fortschritt. Doch dieser hat immer zwei Seiten. So sind sie einerseits immer die Faktenleser, zum anderen aber auch dazu verdammt philosophisch ihr Tun zu überdenken. Dies wird besonders in der Figur Carl Friedrich von Weizsäckers klar. Als junger Student muss er sich entscheiden. Philosophie oder Physiker. Beides reizt ihn ungemein. Erst sein späterer Doktorvater Werner Heisenberg bringt ihn auf den richtigen Pfad: Erst Physiker, dann Philosoph.

Richard von Schirach beschreibt schonungslos die Werdegänge der drei Physiker, deren Namen eng mit der Entstehung der Atombombe verbunden sind, ob sie nun wollten oder nicht. Jeder humanistisch denkende Mensch schüttelt den Kopf, wenn er die Lebensläufe vor sich liegen hat. Doch heute sind wir klüger. Vor Jahrzehnten (und sicher ist das heute auch noch so) war jeder Wissenschaftler froh über jede Art von Zuwendung für seine Forschung. Die Folgen wurden dabei geflissentlich übersehen. Schuld oder nicht – diese Frage stellt von Schirach nicht. Vielmehr überlässt er dem Leser die Beurteilung der Taten Hahns, von Weizsäckers und Heisenbergs. Eine Geschichtsstunde, die niemals enden sollte. Eine Mahnung an alle Forschenden. Ein kurzweiliges Lesevergnügen. So sollte man dieses Buch sehen. Nichts mehr und nichts weniger.

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