Die Lichter von Pointe-Noire

Für Alain Mabanckou hat die Zahl Dreiundzwanzig eine fast mystische Bedeutung. Mit dreiundzwanzig verließ er seine Heimat Kongo (das kleinere, Kongo-Brazzaville), um in Frankreich sein Jurastudium fortzuführen. Dreiundzwanzig Jahre später besucht er es wieder. Zum ersten Mal seit dem Tag, als seine Mutter ihm einen letzten Rat mit gab: Heißes Wasser vergisst nie, dass es einmal kalt war.

Was sollte er mit diesem Spruch anfangen? So poetisch der Abschied auf dem Papier aussieht, so bitter war es im wahren Leben. Alain Mabanckous Mutter starb, als in Europa Fuß gefasst hatte. Zur Beerdigung konnte er nicht kommen. Oder wollte er nicht? Sein Vater, der nicht sein Erzeuger war, starb ebenfalls in den Jahren des Exils. Mitte vierzig, als berühmter Schriftsteller kehrt er nun heim. Nach Pointe-Noire. Dorthin, wo er Tanten und Onkel, Neffen und Nichten, Großmutter und Großvater den Rücken kehren wollte, musste … konnte.

Endlich daheim. Der Ort, an dem man ungeschminkt und unverblümt der sein darf, der man wirklich ist. Doch die Fremde hat Alain Mabanckou verändert. Das wissen auch diejenigen, die er zurückließ, und auch diejenigen, die aus ihnen hervorgingen. Dass allenorts die Hand aufgehalten wird, ist nicht Befremdliches. Doch dass die Heimat nicht der Ort der Rückbesinnung ist, stört den Autor erheblich.

Das Kino, in dem er zu träumen begann, ist nur mehr ein Schatten seiner selbst. Freunde von damals, sind heute Familienväter. Und der Fortschritt ist immer noch eine jähe Vision, die immer wieder vor den Toren der Stadt haltmacht. Nichts Neues im Herzen Afrikas? Alain Mabanckou findet nicht recht die Zeit, um sich treiben zu lassen. Zu nah sind ihm die Geschichten derer, mit denen er aufwuchs. Traurigkeit? Ein bisschen. Er weiß, dass das Leben weitergeht. Weitergehen muss. Auch wenn in Pointe-Noire für viele die Lichter ausgehen, so sind sie für Alain Mabanckou immer noch an. Sie werden in seinen Erinnerungen leuchten wie die Filme und Stars einmal auf der Leinwand.

Schonungslos bricht Alain Mabanckou die Mauern des Schweigens und des Vergessens ein, um seinem Leben die Sporen zu geben. Erinnerungen spielten in all seinen Büchern die zentrale Rolle. Freunde und Gefährten fanden sich in seinen Zeilen wieder. Nun muss er sich der Realität stellen und den Figuren aus seinen Romanen gegenübertreten. Manche erkennt er nicht wieder, andere weisen ihn direkt auf sich hin. Das Knieschlottern vor dieser Reise war schlussendlich unnötig. Die Heimat ist und bleibt die Heimat. Sie verändert sich nicht, nur der eigene Blick auf sie rückt vieles in ein anderes Licht.