Die letzten Nächte von Paris

Es könnte schlimmer sein! Nur noch eine letzte Nacht in Paris. Und dann ganz viele Nächte nicht in Paris. Doch der namenlose Erzähler hat noch mehrere vor sich. Und die verbringt er mit Georgette. Beziehungsweise verbringt er sie nicht neben Georgette, sondern meist hinter ihr. Sie zu verfolgen, ihrem Sirenengesang zu folgen, ist sein Elixier.

Georgette ist des Nachts der schillernde Schmetterling, der das Dunkel der Nacht vergessen lässt. Tagsüber ist jedoch die graue Maus, die man sehr wohl wahrnimmt, aber nicht mit übermäßiger Beachtung beschenkt. Nicht Georgette allein machen die Nächte von Paris so eindrücklich. Es ist das Drumherum, das den Erzähler unmerklich in einen Strudel hineinsaugen, dem er nicht entkommen kann. Er befindet sich auf einer Reise, die man so nirgends buchen kann, auch wenn Georgette sich sonst für vieles bezahlen lässt.

Wir sind im Paris der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts. Andernorts sind diese Jahre golden oder roaring. In Paris treibt der Erzähler in eine krimireife Zeit. In der Zeitung liest er von einem Matrosen, den die Polizei dingfest machen hat. Er den Freund seiner Freundin ermordet, zerstückelt und die Reste dessen menschlicher Existenz in der Seine entsorgt.

Octave, Georgettes Bruder, ist auch so ein Früchtchen. Wie einst Nero will er sich ein flammendes Denkmal setzen. Doch es wird dann doch die letzte Ruhestätte.

Und Volpe schießt den Vogel im Skurrilitätenkabinett ab. Er kann alles, kennt jeden, hat überall seine Finger im Spiel. Doch greifbar wird er niemals sein. All diese Typen und noch einige mehr trifft der Erzähler bei seinen Erkundungen Georgettes. Autark ist er schon lange nicht mehr. Das Milieu hat ihn gefangengenommen. Nur noch ein kleiner Schritt bis er selbst dazugehört…

„Die letzten Nächte von Paris“ sind Philippe Soupaults Liebeserklärung an Paris. Die Poesie seiner Worte hallen noch lange nach. Beispielsweise wenn er Georgettes Schatten als das wahre Licht ihrer Schönheit beschreibt. Oder wenn er vom albernen Xylophon der Bummler spricht. Wer Paris wie es einst war kennenlernen will, wer dem heutigen Paris auf den Grund gehen will, kommt an diesem Buch nicht vorbei. Picasso und die anderen spielten in Paris nicht mehr lange die große Rolle wie vor zehn, zwanzig Jahren. Montmartre und Montparnasse waren vom Künstler-Walhalla zum Spektakel für allerlei schaurige Gestalten verkommen. Der Mythos Paris kränkelte. Und Philippe Soupault kritzelt eifrig seine Fieberkurve.