Die im Schatten, die im Licht

Die einen jubeln als der Tross von schwarzen Limousinen durch den Ort fährt. Andere prügeln sich bis aufs Blut. Einem Kind wird die ersehnte Torte aus dem Gesicht geschlagen, nicht sprich-, sonder wortwörtlich. Man darf das eigene Schloss nicht mehr betreten, weil man sich mit den falschen Leuten traf. Das Radio wird immer öfter ausgeschaltet, weil die knarzige Stimme der immergleichen Sängerin einem die Laune vermiest. Man muss sich regelmäßig bei den Behörden melden. Das Leben wie sie es kannten ist vorbei!

Mit dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich verändert sich für die meisten das Leben. Die Einen steigen auf, sind rege dabei sind zu profilieren ohne dabei auch nur einen Funken Verstand und Menschlichkeit zu versprühen. Die Anderen gehen in Deckung, weil das der einzige Weg ist zu überleben.

Sabine Scholl lässt neun Frauen in den Vordergrund treten, die ihr Leben von nun an im Licht oder im Schatten fristen müssen. Ob auf der Bühne oder im Keller – sie leben in einer Zeit, in der die Angst rund um die Uhr ihr Begleiter sein wird. Die Schicksale orientieren sich an echten Schicksalen der Zeit. Literatur darf, nein muss, sich an der Realität beweisen und sie sich Untertan machen. Seite für Seite taucht man in eine Zeit ein, die längst vorbei zu sein schien. Die Aktualität holt die Träumer und Phantasten auf den Boden der Tatsachen zurück.

Aktueller denn je kommt dieses Buch zur rechten Zeit in die Regale. Dort greift man zu und liest, was perfide Machtphantasien anrichten können. „Die im Schatten, die im Licht“ als reines Lehrbuch zu sehen, würde am ziel vorbeigehen. Dennoch sind die beschriebenen Frauenschicksale exemplarisch nicht nur für die Zeit der Nazidiktatur in Österreich, sie sind mahnendes Beispiel für diejenigen, die bei autoritären Umwälzungen sich ein „So schlimm kann es nicht werden“ oder „Ich find das gut, was der da macht“ nicht verkneifen können. Wer sich selbst ins Licht stellt, in dem er andere in den Schatten schiebt, lässt keinen Zweifel daran, dass er zu mehr fähig ist.

Jedes der Frauenschicksale in diesem Buch rüttelt auf und zeigt wie tiefgründig (und vor allem wie schnell) die neuen Herren ihre Arbeit vorantrieben. Eben noch die jubelnde Menge auf Photos festgehalten, im nächsten Moment die Säuberung des Ortes angeordnet. Eben noch ein Star auf den Brettern, die die Welt bedeuten, sich dem savoir-vivre hingegeben. Und schon gehen die Lichter aus. Es ist erschreckend zu lesen wie schnell aus der Freiheit Beengtheit, Diskriminierung und Hass werden kann. Das war so, und noch immer haben nicht alle daraus gelernt.