Die Erfindung des Ostens

Was war das für eine Aufregung! Georgien als Partnerland der Frankfurter Buchmesse. Selten zuvor wurden derart viele Bücher aus diesem kleinen Land im Kaukasus in Deutschland verlegt. Ein echter Gewinn für alle Leseratten. Kein Verlag konnte es sich erlauben Georgien als weißen Fleck auf der eigenen Bücherlandkarte zu präsentieren.

Mit „Die Erfindung des Ostens“ ragt aus diesem Bücherberg ein ganz besonderes Kleinod hervor. Es strahlt wie ein seltenes Juwel und erhellt den Literaturhimmel in allen Farben des Regenbogens. Irma Tavelidse lässt in jeder der sechs Geschichten die den Leser vor Begeisterung tanzen.

Ein Schauspieler, der vor Ehrfurcht zu erstarren scheint, weil ihm sein Idol vor die Augen tritt. Ein Engagement am Theater Gori, der Burg, drückt ihm die Kehle zu. So wie damals in der Schule als es darum ging zu rezitieren.

Marie Menard hat gleich drei Leben. Das dritte spielt in der Zukunft. Einer Zukunft, in der Computer, Programme Bücher schreiben. Übersetzungen werden in Windeseile zu Papier gebracht. Ein Gedicht wird in Sekundenschnelle druckreif.

Es sind Erinnerungen und Sehnsüchte in diesem Buch, die den Leser fesseln werden. Bedächtig, aber keineswegs behäbig bestimmen sie den Leserrhythmus. Die Schrittgeschwindigkeit wird so weit reduziert, dass man gerade noch merkt voranzukommen. Und das ist gut so!

Die Entdeckung der Langsamkeit als Stilmittel verleiht diesem Buch das besondere Etwas. Jedes Wort über die einzelnen Kapitel würde den Reiz der Erkundungen abflachen.

Irma Tavelidse muss man für sich selbst entdecken. Die Ernte dieser Saat gedeiht prächtig, wenn man sich an grauen Tagen in eine Ecke setzt und der Melancholie des Dahintreibens georgisches Futter gibt. „Die Erfindung des Ostens“ darf getrost als Höhepunkt des georgischen Buchjahres 2018 angesehen werden.