Die 92 Büsten der Eva Perón

Hose runter. Die Unterhosen auch. Das erste Kennenlernen von Ernesto Marroné und seinem zukünftigen Chef Fausto Tamerlán verläuft schon etwas seltsam. Besonders als dann noch der Chef seinen neuen Einkaufsleiter mit seinem Finger da näherkommt, wo andere gern mal Luft ablassen.

Und nun hält Ernesto Marroné vielleicht sogar diesen Finger in den Händen. Verpackt in einer Blechschachtel.

Was ist passiert? Zunächst einmal muss man wissen, dass das Vorstellunggespräch erfolgreich verlief – für beide Seiten. Ernesto hat in der aufstrebenden Firma einen Posten, der es ihm eines Tages erlaubt noch weiter aufzusteigen. Marketing, das ist sein Traum. Seit einigen Monaten ist jedoch der monströse Schreibtisch des Chefs allerdings nicht besetzt.

Denn Fausto Tamerlán ist entführt worden. Und zwar von der linksperónistischen Montonero-Bewegung, einer Bewegung, die im Argentinien der 70er Jahre, hier spielt der Roman, die Junta gehörig unter Druck setzte.

Ernesto ist der misslichen Lage die Forderungen der Entführer entgegenzunehmen und die Neueste in die Tat umzusetzen. Denn Tamerláns Entführer wollen neben den üblichen Geldforderungen auch noch, dass in jedem Raum der Firma eine Büste von Eva Perón aufgestellt wird. Schnelles Kopfrechnen: Zweiundneunzig Stück müssen so schnell wie möglich rangeschafft werden. Denn sonst … zimperlich sind die Entführer ja nicht gerade, wie der Finger beweist.

Ernesto gelingt es auch postwendend eine Firma zu finden, die die zweiundneunzig Büsten herzustellen in der Lage ist. Nur haben die Gewerkschaft und die Angestellten gerade beschlossen ein bisschen Revolution zu spielen und den Betrieb zu bestreiken und selbigen einzustellen. Die neue Fabrik mit dem Namen der Patronin Eva Perón kann also erstmal keine Büsten von Eva Perón liefern. Ernesto muss zur nächsten List greifen. Er wird selbst Perónist. Die neuen Genossen müssen ihm einfach helfen… Ob’s was hilft?

Carlos Gamerro lässt Ernesto Marroné wie ein aufgescheuchtes Huhn á la Louis de Funès durch Buenos Aires zweiundneunzig Büsten suchen, auftreiben, nach einem Produzenten suchen. Schwarz-humorig wie ein verkohltes Steak zappeln er und die Leser an der langen Leine des Autors. Bitter-böse Sprüche fliegen wie Lichtblitze umher. Nüchtern wie ein Historiker lässt er Fakten im Strudel der Wandel der Geschichte einfließen. Beide Seiten – die, die die Forderungen stellen und diejenigen, die mit Schweißflecken wie Pizzateller unter den Armen versuchen diese zu erfüllen – haben gehörig einen an der Klatsche. Doch sind sie in ihrem amateurhaften Kampf gegen die Windmühlen nur wie Pusteblumen im Wind. Bei Stille sind sie nicht besonders ansehnlich. Doch wenn Sturm aufzieht, zaubern sie mit ihrem Tanz ein Lächeln ins Gesicht der Unschuldigen.