Das fremde Gewürz

Spricht man es Englisch aus, sorgt man für Verwirrung, wenn man erzählt, dass man in Georgia war. Sofort fallen einem Baumwollplantagen ein, schneeweiße Herrschaftsanwesen. Doch es gibt ein weiteres Georgia. Georgien. Im Kaukasus. Dort, wo der Wein zum ersten Mal kultiviert wurde. Wo Prometheus an den Felsen gekettet war. Wo fremde Gewürze den Gaumen verwöhnen.

Davon kann Eva Dietrich berichten. Vier Monate verbrachte sie in Tiflis, der Hauptstadt des Landes, das 2018 für Furore sorgen wird, wenn es als Gastland der Frankfurter Buchmesse sein literarisches Füllhorn über den Lesern ergießen wird.

Dieses fremde Gewürz, das dem Leser neugierig machen wird, nennt sich utskho Suneli. Es wird zum allen und reichlich und immer hinzugefügt. Je nach Köchin schmeckt es verschieden. Doch fehlt es, wird man es merken. Es wird aus dem blaublühenden Bockshornklee gewonnen. Nachdem Eva Dietrich auf Märkten und bei Besuchen immer wieder davon hörte, ließ es sie nicht mehr los. Sie musste unbedingt ihrem Forscherdrang nachgeben und die Felder der Umgebung besuchen, so der so besondere Klee wächst, dessen Samen selbst den Georgiern das Attribut fremd wert ist.

Bei einer anderen Gelegenheit traf sie die Nonnen des Klosters von Phoka. Sie sind wahre Feinschmeckerinnen, auch ohne utskho Suneli. In ihrem Kloster, das von außen nach allem aussieht, aber nicht nach einem Ort der Ruhe und Einkehr, verköstigen sie sich und Fremde Käse, Schokoladen und Wein. Die erstgenannten Dinge stellen sich höchstpersönlich her. Marmeladen aus Melone, Zitrone und Estragon lassen den Gaumen schon beim Lesen in Haps-Acht-Stellung gehen.

Dies sind nur zwei Geschichten aus dem körperlich kleinen, doch inhaltlich riesigen Buch der Schweizerin Eva Dietrich. Georgien greift gern nach der Hand aus dem Westen, was zur Folge hat, dass die Eigenständigkeit dem globalen Markt ein wenig das Feld überlassen wird. Streift sie durch Afrika, ist sie keineswegs unter sengender Sonne unterwegs, sondern in einem Ort, der tatsächlich so heißt. Ihre Bewohner haben es längst aufzugeben sich mit unnützlichen Gedanken zu beschäftigen. Das Hier und Jetzt zählt. Für alles andere ist keine Zeit. Es kommt eh anders als man denkt. So trist das Leben auf den ersten Blick erscheint, so reichhaltig ist die Kultur, die immer noch gelebt wird. Die goldenen Zeiten der Seidenproduktion sind vorbei. Doch still und heimlich drückt die Poesie der Georgier durch den chinesischen und europäischen Beton der Neuzeit. Georgien ist es wert erkundet zu werden. Und als Beigabe, nein als Appetithappen, als Triebfeder ist dieses Buch ein unermüdlicher Kämpfer für ein Land, das gar nicht so weit weg ist von dem, was wir tagtäglich um uns herum haben.