Der Walder vom Schwarzwald

Es ist ein Leichtes jemandem etwas vorzuwerfen, das gegen einen selbst gerichtet ist. Genauso einfach ist es immer nur das Contra seines Gegenübers in Feld zu führen, will man ihn in Misskredit bringen. Einen Menschen zu würdigen, der mit seinem ganzen (!) Tun aber immer (!) nur das Gute bewirken wollte, dafür muss man schon tief in den Erinnerungen graben. Annette Maria Rieger tut das. Und zwar in ihrem Buch über Walter Trefz. Walter wen? Trefz? Nie gehört.

Im Schwarzwald und bei denen, denen der Naturschutz im Allgemeinen und Waldschutz im Speziellen am und im Herzen liegt, ist Walter Trefz eine Legende. Unerwartet im Juli 2021 verstorben. Er war der Förster im Kniebis, einer Waldgegend zwischen Karlsruhe und Freiburg i. Br. gelegen. Hier wollte er keine Visionen verwirklichen. Nicht Unwirkliches erschaffen. Keine Kommune mit wilden Ideen gründen. Er wollte den Wald schützen. Einfach, weil es ihm möglich erschien. Und vor allem, weil es notwendig war, ist und wahrscheinlich auch immer sein wird.

Er war ein Rebell. Dieses Label ließ er sich anheften. Denn er wusste, dass Label für Öffentlichkeit sorgen. Eine Rampensau war er deswegen nie. Aber wenn man ihm ein Podium bot, sprang er selbstverständlich als Sprachrohr ein. Der Wald wisse schon wie er sich zu verhalten habe. Der Mensch habe gefälligst seine Finger aus ihm herauszuhalten. Als Spaziergänger, Pilzesammler, auch als Jäger ist der Mensch in Maßen willkommen und mancherorts und manchertags sogar von Nöten. Ansonsten ist er Besucher und habe sich wie selbiger zu verhalten.

Der Walder, wie man ihn, wie die Autorin, die ihn mehrmals besuchte und interviewte, war ein streitbarer Kämpfer. Aber auch ein exzellenter Erzähler. Wenn man von ihm behauptet, er wusste alles (über den Wald), dann kommt keiner dieser Wahrheit näher als der Walder.

Vielen war er ein Dorn im Auge. Immer wieder geriet er mit seinen Vorgesetzten aneinander. Umschiffte so manche Klippe. Und doch zerschellte er auch an einigen Brocken, die man ihm vor die Füße warf. Blauäugig – das kann man ihm nicht vorwerfen. Je mehr er mit scheinbar unverwirklichbaren Ideen die Oberen gegen sich aufbrachte, desto öfter tappte er in Fallen, die ihm schlussendlich den Job kosten sollten.

Annette Maria Rieger gelingt ein Portrait eines Idealisten zu zeichnen, dessen Waffe der Verstand war. Mit spitzer Zunge – und nicht immer politisch korrekt, aber als Rebell ist das ja eine Grundvoraussetzung für den Kampf – und mit messerscharfen Argumenten hielt er sich länger über Wasser, was so manchem Bürotäter die Schweißflecken in frisch gebügelte Hemd presste. Dieses Buch ist ein Denkmal – mehr wert als jeder Marmorsockel und jede Gedenktafel.