Der Untergang des Hauses Usher

Wenn Klassiker in ein neues Kostüm gezwängt werden, hat das immer einen faden – nach „Gewollt-Aber-Nicht-Gekonnt“ wirkenden – Beigeschmack. Es gibt aber auch Fälle, in denen ein Klassiker durchaus im neuen strahlenden Gewand erscheint. Im Falle von „Der Untergang des Hauses Usher“ von Edgar Allan Poe wurde das maßgeschneiderte Gewand von Andrea Grosso Ciponte nach der Adaption von Dacia Palmerino mit derart facettenreichen Accessoires ausgestattet, das der Begriff Opulenz dagegen wie ein abgenutzter Kartoffelsack um die Ecke schielt.

Die düstere Geschichte des Masterminds Edgar Allan Poe aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts regte schon bei Erscheinen die Phantasie an. Und das nicht zu knapp. Die Einen sehen darin eine unglückliche Liebe, Andere den Wahnsinn in seiner reinsten Form. Der Ich-Erzähler – im Comic oder Graphic novel mit einer frappierenden Ähnlichkeit mit Poe ausstaffiert – eilt seinem Freund Roderick Usher zu Hilfe. Er soll ihm in schweren Zeiten beistehen. Als er das Anwesen der Ushers erreicht, ist er schockiert vom desaströsen Zustand seines Freundes. Als die Schwester Rodericks stirbt, wird eine Maschinerie in Gang gesetzt, die nur ein Ende kennt: Den wortwörtlichen Untergang des Hauses Usher.

Beim Lesen der Kurgeschichte schauert es den Leser ab der ersten Seite. So vieldeutig ist die Erzählung des herbeigeeilten Freundes. Und so unnahbar ist sie. Dieses schmale, im einzig wählbaren Großformat daherkommende Buch, schließt die möglichen Vorstellungslücken des Lesers. Zarte Pinselstriche, verschwommene Konturen zeichnen ein derart klares Bild der Geschichte, so dass keine Fragen mehr offen bleiben. Wenn das Grau der Dämmerung mit dem Grün des Morasts (seelisch und geographisch) eine Liaison eingeht, erhebt sich keiner, um dieser Allianz den Segen zu verweigern. Dämonen umkreisen nicht nur die Figuren, auch dem Leser wird beim Eintauchen in Buch und Geschichte ganz anders. Es fehlen lediglich die Soundeffekte. Nein, die fehlen nicht wirklich. Denn sie würden nur den optischen Eindruck aus seiner schweren Tiefe heben. Und das darf bei dieser Geschichte niemals passieren!

Ob man nun eingefleischter Poetiker (?) ist oder Neuling auf dem Gebiet der schaurigen Romantik – eines steht fest: Diese Version des Klassikers hat das Zeug selbst zum Klassiker zu werden.