Der goldene Topf

Der Student Anselmus ist – um es mit heutigen Worten zu sagen – ein echter Tolpatsch. Gleich zu Beginn dieser Novelle lernen wir ihn kennen als er gerade auf dem Markt in einen Obststand poltert. Zugleich geht das Gezeter los. Die Alte, die hier ihre Äpfel feilbot, nimmt kein Blatt vor den Mund. Ihr Gekeifer lockt die anderen Marktweiber an und ehe Anselmus sich versieht, ist er umringt von einer Schar nicht minder aufgeregter schreiender Händlerinnen. Ihm bleibt nichts anderes übrig als die Geldbörse zu zücken und den entstandenen Schaden überaus großzügig – so schnell wurde ihm noch nie ins Portemonnaie gegriffen – zu begleichen.

Auf den Schock muss sich Anselmus erstmal einen genehmigen. Doch was war passiert? War der Student abwesend, abgelenkt? Und wenn ja, wovon? Oder ist er gar ein Träumer, ein Hans-Guck-In-Die-Luft? Mit nichten. Er versteht es wie kein anderer Schriften zu kopieren. Nein, kein Fälscher. Ganz offiziell. Kopierer gab es damals, vor mehr als zweihundert Jahren, noch nicht. Sein Ziel soll es sein einmal am Hofe in Dresden angestellt zu werden.

Davon träumt auch Veronika. Sie ist – wiederum, um es mit heutigen Worten zu sagen – ziemlich verschossen in Anselmus. Sie kommt aber nicht so recht voran in ihrem Werben. Rat weiß da ihre Mutter. Denn sie hat geheimes Wissen, das ein paar hundert Jahre zuvor garantiert in einem flammenden Inferno geendet hätte – Stichwort Scheiterhaufen.

E.T.A. Hoffmann leiht dem Studenten Anselmus einen Teil seines eigenen Lebens. Auch er hatte nicht immer Glück. Er konnte zeichnen, musizieren, sogar komponieren und schreiben, im Sinne von Geschichten schreiben. Ein Studentenstreich kostete ihn fast den Staatsdienst. Nach Jahren des Reisens verschlug es ihn kurzzeitig nach Dresden. Dort, wo auch Anselmus residiert. Zu dieser Zeit hatte sich Hoffmann schon einen gewissen Ruf als Dichter erarbeitet. „Der goldene Topf“ vergrößerte in der Folge sein Renommeé. Für ihn ging es bergauf. Anselmus selbst muss noch einige Prüfungen bestehen. Fast schon ein bisschen blauäugig träumt er sich immer öfter in eine Phantasiewelt.

Und die wird im Buch einzigartig durch Alexander Pavlenko illustriert. Romantisches Geplänkel in wohl geformten Schnitten, die organischen Formen ähneln. Beängstigende Szenarien mit bizarren Mustern. Die Scherenschnitte – als das Buch erschien eine beliebte Ausdrucksform, und wohl deswegen so eindringlich das geschriebene Wort untermalen – sind die einzigen Stopper in der Novelle. Hoffmanns Erzählweise fordert den Leser und zieht ihn gleichzeitig in eine Welt voller Poesie. Die Abbildungen sind das optische Highlight dieser besonderen Ausgabe.