Das Wettangeln

Das Wettangeln

Thorshafen an der Ostsee ist ein ruhiger Fischerort. Einmal im Jahr wird die Bescheidenheit des Ortes beiseite geräumt und das Wettangeln steht an. Hier zeigen Männer was sie dazu macht, Kinder eifern ihnen nach, die Frauen feuern ihre Männer an – so schließt sich der Kreis. Nur Henry Weiß kann dieses Jahr nicht teilnehmen: Er ist kurz vor Beginn mit seinem Rollstuhl gestürzt. Aber als Schiedsrichter will er funkgieren. Sein sonores Horn verkündet Anfang und Ende des Wettstreits. Statt seiner sollen seine Nichte Anja und der Erzähler sich die Meriten verdienen.

Und sie scheinen auch Glück zu haben. Nach anfänglichem Anglerpech – der falsche Köder – zeihen sie einen Prachtburschen an Land. Siegessicher beschließen die beiden ihr Glück nicht weiter zu strapazieren und geben sich dem Müßiggang hin. Auf einem Floß treiben sie vor den aufgebrachten Anglern dahin. Sie verschrecken die Fische. Leise ziehen sie sich an einen ruhigeren Ort zurück und finden zueinander.

Bei der Preisverleihung sind sie doch die Gewinner. Egal, denn sie haben etwas an Land gezogen, dass die anderen schon haben oder nicht erreichen werden…

„Das Wettangeln“ ist die letzte vollendete Geschichte von Siegfried Lenz, der 2014 gestorben ist. Im Nachwort erfährt man, dass Henry und der Erzähler mehr als nur aus dem gleichen Holz geschnitzt sind. Sie gehören originär zusammen. Durch Krankheit erheblich in seinem Tun eingeschränkt, hat Siegfried Lenz seinem Tagespensum oberste Priorität eingeräumt. Die Geschichten, die er in den letzten Jahren schrieb, bestechen durch ihre schlichte und kompakte Poesie, die den Leser sofort in ihren Bann zieht. Das Ostseeörtchen Thorshafen, wo der Gott des Donners zwischen den beiden ankert, nimmt dieses Gewitter wie eine sanfte Brise hin. Die Außergewöhnlichkeit des Anlasses ist Grund zur Freude genug. Grund zur Freude hat auch der Leser, der nun zum ersten Mal diese Geschichte lesen darf.