Das Haus auf dem Hügel

Wenn am Abend die Dunkelheit über Turin hereinbricht, ist das von doppelter Bedeutung. Zum Einen ist es das sich täglich wiederholende Wetterphänomen, wenn die Sonne hinter den Hügeln verschwindet, zum Anderen ist es das Signal zum Aufbruch in die Berge der Umgebung. Tagsüber ist Corrado Lehrer. Ein respektierter Mann, den man mit „Herr Lehrer“ anredet. Am Abend flüchtet er wie viele in die Hügel. „Le Fontane“ ist der Zufluchtsort. Hier ist der Krieg geografisch weit weg, in den Gesprächen der Männer näher als viele ihn jemals gesehen haben. Hitzig diskutiert man. Schmiedet eifrig Pläne. Warnt man vor dem, was noch kommen kann und wird.

Und hier oben in den Hügeln ist Cate. Corrado und sie waren einmal ein Paar. Für sie war es Liebe. Für ihn ein Zwischenspiel mit vielen Höhepunkten. Und dann ist da noch Dino. Ein aufgeweckter Junge und Cates Sohn. Sie eröffnet Corrado, dass der Junge, der von allen nur Dino gerufen wird, in der Geburtsurkunde den Namen Corrado eingetragen hat. Ja, sie nannte ihren Sohn, IHREN Sohn, nach dem Mann, den sie einst so sehr liebte. Corrados Herz, das des Lehrers Corrado, pocht so sehr wie auf der Flucht vor dem Bombenhagel. Ist Dino etwa sein Sohn? Cate wischt mit der Vehemenz einer enttäuschten, stolzen Frau seine Erwartungen und seine Ängste hinweg.

Hier oben in den Hügeln ist Corrado halbwegs frei, soweit das in diesen Zeiten überhaupt möglich ist. Er nimmt Farben und Gerüche wahr, die so gar nichts mit dem Grau der Großstadt Turin zu tun haben. Hier oben in den Hügeln ist der einfach nur ein Mensch. Allerdings ein Mensch mit Sorgen, dem das Geschehen um ihn herum nicht kalt lassen kann. Er kann dem Faschismus und seinem drohenden Ende nicht entkommen. Als das Gerücht die Runde macht, dass der Krieg vorbei sei – die Alliierten sind auf dem Stiefel gelandet, keimt erste Hoffnung auf. Doch die wird vom Dreck unter den Soldatenstiefeln jäh beendet. Die Deutschen sind nun überall. Der freie Weg in die Berge ist mit Kontrollpunkten gespickt. Die Partisanen haben sich verschanzt. Beide Seiten sind misstrauisch gegenüber jedem, der die Wege benutzt. Sieht so der Sieg aus?

Cesare Pavese schrieb seinen Roman als sich Italien schon ein gutes Stück vom Mussolini-Faschismus entfernte. Hoffnung und Aufschwung gingen hand in Hand. „Das Haus auf dem Hügel“ ist fiktiv. Pavese verabscheute die Vermischung von Reportage und Literatur. Wohl auch deswegen sind die Schrecken des Krieges scheinbar so fern des Alltags. Auch wenn die Bedrohung permanent das Leben bestimmt, findet Corrado die Zeit sein privates Glück zu suchen und stellenweise zu finden. Und das alles auf dem Schachbrett des Krieges. Die Wucht der sanften Worte haut den Leser nicht um. Vielmehr lässt man sich genüsslich in ihren Sog ziehen.