Buch der Tage

Patti Smith schreibt seitdem sie schreiben kann. Den meisten ist sie als Sängerin bekannt. Vielen sind ihre Bilder – bis vor wenigen Jahren waren Polaroids ihr bevorzugtes Stilmittel – ein Begriff. Auch als Schriftstellerin hat sie sich einen Namen gemacht. Eine Künstlerin durch und durch, 24/7.

Vor ein paar Jahren hat sie sich dazu entschlossen einen Instagram-Account zu eröffnen. Wie sie selbst sagt, um denen, die in ihrem Namen Spenden einheimsen wollen, die echte Patti Smith entgegenzustellen. Das harte Los einer berühmten Persönlichkeit. Aber was wäre eine Künstlerin, wenn sie nicht auch diese Plattform als Ausdrucksmittel einzusetzen verstünde?!

Und nun das „Buch der Tage“. Ein Buch, das so schon existiert. Da gibt es doch tatsächlich Bücher, die die Posts von Instagram einfach noch mal in Buchform auf den Markt schmeißen. Manchmal sogar nicht einmal von echten Menschen, sondern ihren Haustieren. Das geht oft bis immer schief, weil es wirklich niemanden interessiert, wann die Miezi etwas schräg in die Kamera glotzt und man sich – als Mensch – darüber vor Lachen krümmt. Irgendwann ist jeder Gag einmal ein gelutschter Drops.

Diese Gefahr besteht bei Patti Smith nicht. Ihr Bilderarchiv muss wie das Weltall unendliche Weiten umfassen. Nicht nur, was die Quantität betrifft, nein, auch die Qualität – sprich Themenvielfalt – ist fast unüberschaubar. Und so taucht man in eine Welt ein, die man sich – egal, ob Fan oder nicht – kaum zu erträumen gehofft hat. Pattis Smith behält sich natürlich das Recht vor nur das zu zeigen, was sie möchte. Sie muss nicht jeden Tag ihr Frühstück mit der Welt teilen. Auch nicht ihr neues It-Piece. Und schon gar nicht irgendwelchen anderen belanglosen Trash, den nur seelenlose Follower als Einblick ins Seelenleben der Stars erkennen wollen.

Hier ist eine Zeitreise in Buchform für einen Kreis von Menschen, die sich nicht nur oberflächlich verführen lassen. Von Rom und Paris über New York reist man in Bildern und Gedanken (den eigenen und denen von Patti Smith) um die Welt, die immer kleiner zu werden scheint. Was sie natürlich nicht tut, aber das Bilder, das vermittelt wird, hat auch seine Vorteile. Da man scheinbar ungezwungen binnen Bruchteilen von Sekunden in eine andere Welt eintauchen kann.

Von Ballettschuhen und dem Portrait von Greta Thunberg, vom dichten Wald bis zu Glenn Gold, von Bobby Fischer Grab bis zu einem Hufeisen, das sie auf dem Anwesen von Arthur Rimbaud gefunden hat – Patti Smiths Auge entgeht nichts. Wer schon einmal das stakkatoartige „Horses, horses, horses, horses“ auf einem verlassenen Industriegelände gehört hat, an dem ein endloser Güterzug vorbeirattert, kennt die Kraft, die Patti Smith verströmen kann. Immer tiefer ziehen ihre Bilder und kurzen Texte denn Leser in ihre Welt, ohne jemals ernsthaft in Gefahr zu geraten. Es ist eine Kunst sich selbst zu inszenieren ohne dabei selbst zum Objekt der Begierde zu werden. Patti Smith for real and forever.