Barroco tropical

Alles Gute kommt von Oben! Von wegen. Fragt man Bartolomeu Falcato, was er von dieser These hält, erntet man mehr als nur ein geringschätziges, viel mehr Wissen verheißendes Lächeln. Wenn man nicht sogar ausgelacht wird. Denn ihm ist etwas vor die Füße gefallen. Von Oben! Eine Frau. Was für Viele auf den ersten Blick wie eine Wunschvorstellung klingt, ist für ihn das Fanal für eine Odyssee, die vierundzwanzig Stunden anhalten soll. Dass er dabei in die tiefsten Abgründe seiner Stadt Luanda, der Hauptstadt Angolas, abtauchen wird, ist ihm zu Beginn noch nicht klar. Aber er hat eine Ahnung…

Die Tote hatte er ein paar Tage zuvor kennengelernt. Im Flugzeug. Núbia ist, war, ihr Name. Sie erkannte Bartolomeu, den Schriftsteller. Und sie machte ihm Avancen. Es war wie ihm Traum. Doch der Realist Bartolomeu blieb standhaft. Oder war er nur peinlich berührt? Nun sieht er im Fernsehen die Frau schon zum dritten Mal (Flieger, Straße, TV). Und er erinnert sich. Núbia berichtete ihm ganz freimütig, dass sie einst in höchsten Kreisen verkehrte. Verkehrte in jeder Hinsicht. Höchste Kreise, jawohl, bis hinauf zum Präsidenten. Das Telefonklingeln reißt ihn aus seinen Erinnerungen. Raus hier! Weg da! Hau ab! Es klingt wie ein Befehl, wie ein Flehen, wie ein gut gemeinter Rat. Na, was soll man davon nun halten?! Und was macht Bartolomeu Falcato, Schriftsteller, Dokumentarfilmer, auf so mancher Todesliste Stehender? Er lässt die Zeit Revue passieren.

Es erzählt von geheimnisvollen Zentren für nichttraditionelle Medizin, unsagbaren, unter dem Deckmantel obskurer Rituale stattfindenden Folterungen und von zufälligen Begegnungen, die wie ein Spinnennetz allesamt miteinander verbunden sind. Die kleinen Regentropfen darin sind flüchtige Schicksale einzelner Beteiligter, die schlussendlich eine andere – manchmal größere – Rolle spielen als man anfangs denkt.

Es ist erstaunlich wie schnell José Eduardo Agualusa den Leser in diesem Spinnennetz gefangen nimmt. Nach der über dreihundert Seiten dauernden Welle des Erstaunens ist man verdutzt wie leicht es dem Autor gelingt die Welt um sich herum zu vergessen. Ohne Abzusetzen liest man sich in einen Rausch, der nur eine Nebenwirkung hat: Ein glückliches Lächeln, das man diesem Autor bei der Arbeit zusehen durfte.

José Eduardo Agualusa nimmt eine Ausnahmestellung unter den Autoren Afrikas ein. Seiner Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. So real die Geschichte wirkt, so viel Fiktion birgt sie in sich. Und das obwohl einiges in „Barroco tropical“ dem echten Leben entlehnt ist, wie er im Nachwort zu bedenken gibt.