Archiv der Kategorie: Meeresrauschen

Venexia

Venedig und Klischees – gehört irgendwie zusammen. Hoffnungslos überlaufene cale und Brücken, Überschwemmungen und der Karneval. Aber auch Romantik, zauberhafte Aussichten und ein Füllhorn an einzigartigen Eindrücken. Doch all das ist ein Stück harte Arbeit. Mit dieser Einsicht kommt man diesem Prachtband schon ein gewaltiges Stück näher. Denn Venedig ist eben nicht nur Romantik in bella italia und ein Espresso zu exorbitanten Preisen. Hier leben Menschen, echte Venezianer, die die Stadt zu dem machen, was sie ist.

Stefan Hilden hat immer die Kamera im Anschlag. Was so martialisch klingt, war es anfangs auch. Er war auf Bilderjagd. Doch er merkt schon bald, dass er so nicht sehr weit kommt. Denn als Venezianer will man nicht auf Schritt und Tritt für die Ewigkeit eingefangen werden. So kam er ins Gespräch mit den Einwohnern der Serenissima. Und bald schon kamen diese einzigartigen Bilder zustande. Hochglanz, ja. Prospektmaterial, bedingt. Denn Venedig öffnet sich nur dem Aufgeschlossenen.

So darf Stefan Hilden den Palazzo Mora besuchen. Nicht einfach nur mal reinschauen, so wie viele andere auch. Nein, er durfte Türen öffnen, die sonst verschlossen bleiben. Immer schön am Rand bleiben, wurde ihm gesagt. Da weiß man schon, dass das Knarzen im Boden nicht einfach nur Nostalgie ist, sondern eine echte Warnung. Und ab jetzt verschlägt es dem Leser den Atem! Man riecht förmlich den Verfall, atmet Geschichte, sieht, was die Zeit mit dem Gebäude gemacht hat. Aber vor allem, was immer noch zu sehen ist! Lichtpunkte, die durch die brüchigen Fensterläden ihren Weg finden. Patina an kunstvoll geschmiedeten Geländern und Beschlägen. Aussichten, die so selten sind, dass man vor Neid erblassen könnte.

Manche Gebäude werden heutzutage als Ateliers genutzt. Mal expressionistisch wie im Cabinett des Dr. Caligari, mal verwunschen wie in einem Märchenschloss. Immer voller Leben, das sich auf den Straßen abspielt.

Aber auch Orte der Ruhe findet Stefan Hilden bei seinen Fotostreifzügen, die keine Jagd mehr sind. Keine auf Hochglanz polierte Gondeln findet den Weg vor die Linse, sondern genutzte Wasserfahrzeuge, die ihre Pflicht vor langer Zeit getan haben. Pures Mauerwerk kündet von dem, was mal war. Und immer mit im Bild: Die Sehnsucht, die Grandezza der Stadt, die einmal die Meere beherrschte. Deren Ruhm seit Jahrhunderten an- und die Besucher in Atem hält.

„Venexia – Hinter den Kulissen von Venedig“ spiegelt dem Betrachter nichts vor, wie es so manch Unerfahrenen in der Lagunenstadt ergeht. Die Stadt ziert sich etwas ihre nicht ganz so prächtigen Seiten zu offenbaren. Stefan Hilden leistet exzellente Überzeugungsarbeit und lässt sie bei aller fehlender oberflächlicher Eleganz erstrahlen. Venedig mal anders – dieser zu oft missbrauchte Satz trifft bei diesem Buch auf jeder der 180 Seiten zu.

Kleine Geschichte des Gardasees

Es ist sicher keine Erfindung der Moderne, dass es am Gardasee ziemlich wenig Platz gibt. Diese saloppe Erkenntnis gewinnt man schon auf den ersten Seiten dieses Buches. Denn der Gardasee war schon immer ein begehrtes Ziel. Nicht nur für Touristen, sondern für Weltmächte, Herrscher und Machthungrige aller Zeiten. Die Römer, die Lombarden, Hunnen, Barbaren und schlussendlich die auspuffbegasten, motorisierten Sonnenhungrigen der Welt. Der Gardasee – wer einmal da war, weiß warum – sehnen sich nach dem Gardasee.

Karin Sechneider-Ferber macht sich auf den langen Weg der langen Geschichte des lang ausgestreckten Sees in Oberitalien, dem größten Italiens. Zum Erstaunen vieler, die hier nur ihren Stellplatz suchen wollen, um postwendend ihr kleines eigenes Reich zu errichten, fördert sie dabei einiges zu Tage, das bisher kaum bekannt gewesen sein könnte. Selbst der Vinschgauer „Ötzi“ hätte sich hier einen Augenschmaus gönnen können. Möglich wäre es gewesen, aber da er es nicht mehr mitteilen kann, werden wir es nie erfahren. Am Gardasee entlang führten Handelsstraßen, die – und das ist bis heute nicht minder wichtig – einen bedeutenden Beitrag zum Wohlstand leisten.

Die Hinterlassenschaften der einstigen Herren sind bis heute sichtbar. Die Grotten des Catull auf der Halbinsel von Sirmione sind die weithin sichtbaren Überbleibsel eines herrschaftlichen Gebäudes. Wozu es diente, gibt bis heute Rätsel auf. Und der Name, der auf den Dichter Catullus zurückgeht, ist mehr als fraglich. Er lebte bevor es errichtet wurde.

Als die Könige und Kaiser Jahrhunderte später ihren Frieden mit der Region gemacht hatten, kamen die Menschenmassen in ihren Fahrzeugen, um sich an Berg und Meer satt zu sehen. Auch dies ist nur allzu verständlich. Einfach mal schauen!

Die „Kleine Geschichte des Gardasees“ ruft die wilden, harten, beschaulichen, glorreichen Zeiten am Gardasee noch einmal in Erinnerung. Beim nächsten Spaziergang am See, beim nächsten Stadtbummel, bei der nächsten Tour um und am See, erinnert man sich an einzelne Kapitel oder Abschnitte und sieht den Gardasee nun mit ganz anderen Augen.

In 80 Pflanzen um die Welt

Da muss man erstmal drüber nachdenken, was man von so einem Buch erwarten soll. Länderspezifische Pflanzen. Was gibt es da alles? Einen Spaghettibaum in Italien? Das war mal ein Erster-April-Scherz im britischen Fernsehen. Auf die Artischocke kommt man erst bei sehr langem Nachdenken.

Die Mistel und Frankreich in Verbindung zu bringen, gelingt vor allem Asterix-Fans. Miraculix kraxelt in die Wipfeln der Bäume mit seiner kleinen Sichel, um die Zutaten für seinen Zaubertrank zu besorgen. Ist man erstmal im Nachdenkerausch, ist es auch nicht mehr so weit bis zum Kaffeestrauch in Äthiopien. So einen Strauch haben dann doch aber im Verhältnis zu den Kaffeegenießern Wenige gesehen. Und noch weniger weiß man, dass seine Blätter den Schatten bevorzugen. Die Früchte sind eine Delikatesse für Affen und Vögel. Heute kaum vorstellbar ist die Tatsache, dass vor rund vierhundert Jahren – inzwischen wusste man wie man aus der Frucht ein köstliches Getränk bereitet – Kaffee von der katholischen Kirche als Teufelsdroge verschrien war. Papst Clemens VIII. „opferte sich“ und probierte … und siehe da: Es war gut! Nix mehr Verteufelung!

Schon mal versucht eine üppig wachsende Agave von A nach B zu transportieren ohne sich dabei die Haut vielschichtig aufzureißen? Mexikaner können sicher darüber nur lachen. Denn dort ist diese Kakteenart heimisch. Und sicher weiß man auch wie man damit umgeht. Wahrscheinlich lässt man sie an Ort und Stelle und freut sich an ihrem Wachstum und dem überwältigenden Formenspiel.

Jonathan Dori lädt die Botanikfreunde ein sich mit ihm auf eine vergnügliche Reise durch die Flora der Welt zu machen. Ein Hauch Muskat in Indonesien. Vielleicht sogar an Fuchsschwanzblättern? Dazu müsste man aber über den Pazifik gen Osten reisen. Bis nach Peru. Denn dort gedeiht diese widerstandsfähige Prachtpflanze. Nicht nur hübsch anzusehen – mittlerweile auch in unseren Gefilden, Fuchsschwanz ist halt widerstands- und anpassungsfähig – sondern auch als Nutzpflanze einsetzbar.

Dieses Buch macht Appetit und schärft den Blick für die Pflanzen links rechts, über die man sonst eher im besten Fall den Blick nur streifen lässt. Die Abbildungen, diese wunderbar poetischen Zeichnungen von Lucille Clerc sind ein andauernder Frühlingskick, der niemals vergeht.

Taba-taba

Schon zu Beginn der Corona-Pandemie kam man an einem Buch von Patrick Deville nicht vorbei: „Pest und Cholera“. Darin begab sich Deville auf biographische Spurensuche der beiden Forscher Alexandre Yersin, Pesterfroscher und Pestbekämpfer, und seines Assistenten Louis Pasteur, dem Vater der Bakteriologie.

In „Taba-Taba“, was, wenn man Devilles Neigung zum Reisen kennt, wie ein unbekanntes Land klingt, begibt er sich auf seine wohl persönlichste Fahrt. Es ist die Geschichte seiner Familie, und unweigerlich zieht er Parallelen zur Geschichte Frankreichs. Hierbei unterlässt er es mit Jahreszahlen zu jonglieren wie ein Wissenschaftsjournalist, der vorgibt als Einziger in den Vorlesungen an der Uni aufgepasst zu haben.

Nein, einem Patrick Deville kann man nichts vormachen. Er kennt die Geschichte Frankreichs wie kein Zweiter. Nur die seiner eigenen Familie kennt er nicht. Also nicht so gut. Deswegen, auf in den Norden!

Ein kleiner Junge wächst acht Jahre lang – eine Ewigkeit in diesem Lebensabschnitt! – in einem Lazarett auf. Er hat ein verkürztes Bein. Die Bewohner des kleinen Ortes, vor allem die Kinder, sind nicht gerade zimperlich, wenn es darum geht sich das Maul über den Jungen zu zerreißen. Dem Jungen wächst mit der Zeit ein dickes Fell, so dass er das Tuscheln nicht mehr hört.

Auf der Treppe des Lazaretts sitzt zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk ein Mann. Offensichtlich zu Recht, denn er bewegt unablässig seinen Körper vor und zurück. Taba hin, taba her. Mit jeder Bewegung formt sein Mund die mantraartige Taba – Taba – Taba. Dieser Mann und die Bücher der Bibliothek haben mehr Einfluss auf ihn als so mancher Hieb, so mancher Hinweis, so mancher Rückschlag.

Der Junge muss – nicht an die frische Luft – raus! Raus in die Welt. Das wird er eines Tages auch. Doch zuerst will er wissen woher er kommt. Wer er ist. Patrick Deville verwebt in „Taba-Taba“ sein eigenes Schicksal mit dem einer Sehnsucht und des Landes, dessen Bewohner er ist. In Anekdoten kratzt er nicht nur an der Oberfläche der Geschehnisse – vom Algerienkrieg bis hin zur Gelbwesten-Bewegung – er taucht tief zu ihren Wurzeln hinab. Die liegen in der Mitte des 19. Jahrhunderts als seine Urgroßmutter als Kleinkind aus Ägypten kommend französischen Boden betrat. Dass ein Land durch seine Bewohner fortwährend Geschichte schreibt, leuchtet jedem ein. Patrick Deville gelingt es dieser Erkenntnis mit seiner Sprachvielfalt die Kirsche aufzusetzen.

Ferdinandea. Die Insel der verlorenen Träume

Bei historischen Romanen muss man sich immer in Acht nehmen, dass man die Fiktion nicht der Realität gleichsetzt. Daten und Fakten sind heutzutage so leicht recherchierbar, dass der kleinste Fehler schon den Ruf des gesamten Werkes ruinieren kann. Armin Strohmeyr wird sich diesem Vorwurf nicht aussetzen müssen. Das liegt zum Einen an den exakt aufgearbeiteten Fakten, zum Anderen an der Geschichte selbst. Schon mal auf Ferdinandea gewesen? Wer jetzt ja sagt, braucht ganz schnell eine Ausrede. Wie zum Beispiel, „Ja, mit dem Finger auf der Landkarte.“. Zu mehr wird es nicht reichen. Denn Ferdinandea gibt es nicht! Nicht mehr.

Es ist Juli im Jahr 1831. Ein paar Meilen südlich von Sizilien. Da erhebt sich – tosend, grollend, leise, fast unmerklich … wie auch immer – eine Insel aus dem Meer. Ferdinandea wird sie genannt werden. Und damit beginnt auch schon das Unheil!

Ein neues Stück Land weckt Begehrlichkeiten. Das war so, das ist immer noch so, und so wird es wahrscheinlich auch bleiben. In Sichtweite liegt die Stadt Sciacca. Dort ist das Leben kein Zuckerschlecken. Weder für Fischer, für alleinerziehende Frauen, auch nicht für Vermieter von Ferienunterkünften. Was man da alles machen könnte?!

Doch den Einheimischen, was sie ja eigentlich noch nicht sind, denn die Insel ist ja gerade erst entstanden, stehen ganz andere Mächte entgegen. Das British Empire bringt auch schon seine Flotte in Stellung. Ein Stück Land mitten im Mittelmeer, mitten auf den Handelsrouten für Maschinen, Weihrauch, Oliven, Wein und Gewürze – da lecken sich die Strippenzieher der Geldvermehrung die Finger.

Überall auf der Welt staunt man nicht schlecht über dieses Naturereignis. Mitten im schönsten Sommer taucht da plötzlich ein neues Eiland auf. Träume könnten wahr werden. Hoffnung keimt auf. Die Gelehrten von Weimar bis Neapel, von London bis sonst wohin sind baff ob dieser Sensation. Auch sie spekulieren, was alles hier erstehen kann.

Doch der Spuk ist bald vorbei. An Weihnachten sieht man am Horizont wieder das, was bis Juni 1831 zu sehen war: Horizont und Wasser. Nicht mehr und nicht weniger. In den Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts schafft es Ferdinandea noch einmal in die Schlagzeilen. Allerdings zensiert. Als ein amerikanischer Bomberpilot sich gen Tripolis auf den Weg macht, um befehlsgetreu Gaddafi für den feigen Anschlag auf die Berliner Discothek „La Belle“ den Hintern zu versohlen, macht er ein U-Boot ausfindig. Er bombardiert es. Und erntet schallendes Gelächter für den Angriff auf einen Felsen, der rund einhundertfünfzig Jahr zuvor keck seine Nase aus dem Meer erhob. Heute liegt Ferdinandea rund acht Meter unter der Wasseroberfläche. Anfang des Jahrhunderts wurde eine Marmortafel angebracht, um an die Ereignisse im Juli 1831 zu erinnern – und um darauf hinzuweisen, wem die Insel gehört, Sizilien und den Sizilianern – doch auch die wurde mittlerweile zerstört. Was vor 190 Jahren begann, ist also immer noch nicht zu Ende…

Ein Winter auf Mallorca

Das Bild Mallorcas ist immer noch geprägt von Bettenburgen an überfüllten Stränden mit entfesselten Alkoholleichen. Auch wenn die Tourismusverantwortlichen seit Jahren dagegen vorgehen, so wird dieses Bild noch sehr lange vorhalten. Dass sich die Insel dem geneigten Betrachter auch anders präsentieren kann, auch das dürfte hinlänglich bekannt sein. Und wenn man so will, ist dieser Reisebericht von George Sand, der auf ihre Reise auf die Insel im Winter 1838/39 zurückgeht.

Nun muss man wissen, dass George Sand eigentlich Amantine Aurore Lucile Daupin de Francueil hieß und von August dem Starken abstammte. Keine schlechte Voraussetzung für ein erfolgreiches und vermutlich finanziell gesichertes Leben. Doch ihr Leben war nicht so glamourös wie man es ihrer Herkunft nach vermuten könnte. Sie arbeitete bei der Zeitung „Figaro“, wo sie sich ihr weltweit bekanntes Pseudonym George Sand zulegte. Ihre spitze Zunge und ihr unkonventionelles Leben brachten ihr schnell einen speziellen Ruf ein.

Ihr Sohn Maurice litt an Rheuma. Die milde Inselklima Mallorcas sollte ihm Heilung verschaffen. Außerdem im Gepäck: Ihre Tochter Solange und der Komponist Frédéric Chopin. Ein unverheiratetes Paar mit zwei Kindern auf dieser Insel. Eine Frau, die nur allzu gern Männerklamotten trägt. Hier, auf dem Eiland, dem man nicht so ohne Weiteres  den Rücken kehren kann, ein landwirtschaftliches Stück Erde mitten im Meer, tief in den Schranken der Religion verwurzelt – geliebte Gäste stellt man sich hier anders vor. Die Kuratorin der Buchreihe „Büchergilde unterwegs“ und Reisejournalistin Julia Finkernagel nennt dieses Familienkonstrukt eine merkwürdige Celebrity-Patchwork-Familie. Das trifft den Nagel auf den Kopf. In etwa so wie die Mallorquiner von eben dieser Promi-Familie vor den Kopf gestoßen wurden.

Aber „Ein Winter auf Mallorca“ ist kein Vorläufer von Instagram-Stories von irgendwelchen C-Promis, die ungehobelt ihren Reichtum zur Schau stellen. Es der Reisebericht, den man lesen muss, geht es auf die liebste Insel der Deutschen. Und wenn man sich ein bisschen Mühe gibt, kann man die Aussichten der Skandalautorin auch knapp zweihundert Jahre später noch genauso nachempfinden wie die Zigarren rauchende Autorin selbst. Ihre Eindrücke von der Insel – natürlich geprägt von der Sorge um ihren Sohn und den leidenden Chopin – hallen bis heute nach. Es ist das ursprüngliche Mallorca, das längst verschwunden ist. So wie jeder Quadratmeter auf der Welt sich in den vergangenen zweihundert Jahren verändert hat. Das Buch genießt man am besten abgeschieden, auf einer Finca, auf einem Felsen an der Küste – da kommt man sich gleich wie Bohème vor, einer, der nicht so recht dazugehören will, es aber partout nicht wahrhaben will, nicht dazugehören zu dürfen. Noch heute muss George Sand für dieses Buch jährlich mindestens ein Preis verliehen, zumindest gedankt werden.

Das Buch von der Riviera

Klaus und Erika Mann sind die wohl berühmtesten Kinder ihre noch berühmteren Vaters Thomas Mann. Bewusst oder unbewusst versuchten sie stetig aus dem Schatten ihres (Über-)Vaters zu treten. Der junge schon recht erfolgreiche Autor und die nicht minder begabte und anerkannte Schauspielerin unternahmen 1931 eine Reise an die Côte d’Azur. Ihre Eindrücke sind in diesem Buch festgehalten.

Das Geschwisterpaar kannte „die eleganteste Küste der Welt“ bereits. So waren sie keine Entdecker im herkömmlichen Sinne. Vielmehr konnten sie Eigenheiten der Bewohner, die Schönheiten der Landschaft und die regionale Küche eingehender betrachten. Fast schon geblendet von ihren eigenen Erfahrungen hasten die beiden zeitweise durch die Gassen Marseilles, über die Boulevards von Nizza, durch die Restaurants zwischen Toulon und Cannes. Wie Reiseredakteure erfassen sie jede auch noch so nützlich erscheinende Information und bauen sie in ihre Aufzeichnungen ein. Im MTV-Stil hetzen sie den Leser von Highlight zu Highlight, schupsen den Leser in Boutiquen, um ihn gleich wieder hinaus zu zerren, weil eine Straße weiter das nächste Abenteuer wartet. Trotzdem überkommt einen nie das Gefühl, dass Klaus und Erika Mann nur an der Oberfläche kratzen. Detaillierte Tipps welches Hotel für welchen Geldbeutel ideal ist, wo die Bouillabaisse am besten schmeckt, wo Jean Cocteau sich verewigte … unzählige Anekdoten bereichern diesen Reiseband.

Den beiden gelingt es spielerisch Emotionen und Fakten zu verbinden. Schon nach wenigen Seiten brennt im Leser das Fernweh. Voll jugendlichem Elan reisen sie von Marseille über Toulon, Cannes, Nizza und Monte Carlo bis Menton. Das sind die Orte, die den meisten Ohren Eleganz, Savoir-vivre und auch ein bisschen Snobismus verheißen. Das war vor knapp 80 Jahren noch nicht ganz so verbreitet, aber die Ansätze waren schon klar zu entdecken. Auch die kleinen malerischen Orte zwischen diesen Touristenhochburgen wie Sanary, Beaulieu, Villefranche, Hyères oder auch Cassis bleiben nicht unerwähnt.

In präzise formulierten Sätzen verleihen die Manns der Riviera die Goldmedaille für Anmut, Grazie und Lebensstil. Frech und ohne Vorurteile begegnen sie einer Welt, die doch so weit weg ist, von dem, was Deutschland in dieser Zeit darstellte. Exakte Wegbeschreibungen erlauben es heute noch teilweise die Wege der beiden zu kreuzen. „Das Buch von der Riviera“ ist ein kurzweiliges Lesevergnügen, das man vor dem Riviera-Urlaub gelesen haben muss.

Mecklenburgische Seenplatte

Man mag es kaum glauben, aber auch Mecklenburg (mit lang gezogenem e und nicht dem knackigen ck, gaaanz wichtig!) hat seine eigene Schweiz. Das hat weder was mit Steuersünder-CDs noch mit Schneesicherheit zu tun, sondern mit der Tatsache, dass jede Region mit ein paar Hügeln eben diesen Landstrich postwendend mit der Alpenrepublik in Verbindung setzen will. Aber hier oben, hoch im Norden ist das schon eine kleine Sensation. Während allerdings im Süden die Gipfelspitzen rund 3000 Meter an die Sonne heranreichen, sind es hier – man getraut es sich fast kaum zu sagen – einhundertundzehn Meter. So hoch wie ein Hürdenlauf der Männer in der Leichtathletik. Die brauchen nur knapp elf Sekunden, um die Ziellinie zu erreichen. In Mecklenburg kann das schon mal einen ganzen Tag dauern. Das liegt vor allem an der Ablenkung links und rechts der Strecke, die vor einem und hinter einem liegt.

Und wer sich ein bisschen mit den Reisebüchern aus dem Michael-Müller-Verlag auskennt, brennt nach dem Kauf, oft schon vorher beim Durchblättern, was alles in den farbig abgesetzten Kästen an Anekdoten auf den Urlauber wartet. Wie der Teterower Hecht – wir bleiben vorerst in der Mecklenburgischen Schweiz. Schilda ist bekannt für seine Schildbürgerstreiche. Teterow ist das mecklenburgische Gegenstück. Die Legende besagt, dass ein kapitaler Hecht als Festschmaus für die Bürgermeisterin gedacht war. Doch der war viel zu groß für eine einzelne Person. Ein paar Tage später sollte der Fisch beim Schützenfest für alle zum Verzehr angeboten werden. Selbst, wenn es damals schon so etwas wie Kühlschränke gegeben hätte, so war der Hecht doch zu kapital, um darin verstaut zu werden. Wieder in den Teich? Ja, aber mit Glöckchen, damit man ihn wiederfindet. Naja, man sucht ihn wohl noch heute…

Wer sich die Landkarte der Seenplatte anschaut, wird wenig überrascht sein, dass neben so viel Grün auch jede Menge Blau vorhanden ist. Der Name Seenplatte lässt es vermuten. Tatsächlich ist Mecklenburgs Festland löchrig wie ein Schweizer Käse. Was ein Zufall! Alle Seen in einem Urlaub abzupaddeln, abzuschwimmen, abzuwandern – unmöglich. Die Schönsten Seen erleben und in Ruhe zu genießen? Möglich, ABER: Nur mit diesem Reisebuch! Sabine Becht und Sven Talaron haben ihr Bestes gegeben, um die so genannten Highlights herauszupicken. Es sind trotzdem fast 350 Seiten geworden. Zum Glück! Denn nur so werden Güstrow, Krakauer See, Nossenthin, Bollewick und Müritz zu Orten, an denen man sich heimisch fühlt ohne je da gewesen zu sein. Die Hingabe der beiden Autoren zu diesem Reisgebiet, das voller Naturschätze ist, spürt man mit jeder Silbe. Fast möchte man meinen, dass man niemanden hier hinschicken möchte, weil es dann mit der Ruhe vorbeisein könnte. Wer sich also für die mecklenburgische Seenplatte entscheidet, muss sich auch für diesen Reiseband entscheiden. Und die Ruhe und Gelassenheit mit der man dem Paradies begegnet.

Highlights Schottland

Da, wo man sich wohlfühlt, lass Dich nieder. Böse Menschen haben keine schönen Bilder. Und wer diesen Bildband auch nur oberflächlich betrachtet – was man eh nicht tut, weil er zum Eintauchen einlädt – wird niemals mehr kariert aus der Wäsche schauen!

Schottland und Sehnsucht – diese Mixtur treibt viele an dieses Land einmal zu besuchen. Ein schier endloser Horizont, der auf dem Weg die gesamte Farbpalette präsentiert. Historische Bauten, die vor lauter Geschichte zu beben scheinen. Und ein einzigartiges Licht, das nur hier seine Wirkung entfalten kann.

Fünfzig Ziele sollen es sein, die in diesem Buch dem Leser ein inneres Beben der Sehnsucht hervorrufen werden. Die Ortsnamen sind gewöhnungsbedürftig. Glen Shiel – wo die Spanier untergingen (wenn man der Überschrift des Kapitels glaubt) – klingt da noch verhältnismäßig eingängig. Auch mit Mull of Kintyre kann man sich anfreunden, besonders wenn man ein Beatles-Fan ist und bei Paul McCartney immer noch ins Verzücken gerät. Und Whisky, ohne e vor dem Ypsilon – das wird den Amerikanern überlassen – gehört zu Schottland wie die Frage, was die Männer unterm Rock, pardon, Kilt, tragen. Um es vorweg zu nehmen, sie tragen … nein, auch in diesem Buch wird diese Frage nicht abschließend beantwortet. Es ist schließlich ein Bildband!

Und der hat es in sich. Schon auf den ersten Seiten, genauer gesagt auf Seite Elf schlägt die Stunde der Wahrheit. Denn Schottland ist nicht nur Glasgow, Edinburgh und ein paar Seen mit Bergen. Die ganze Karte ist übersät mit Highlights, die man gesehen haben muss. Und die natürlich in diesem Band vorgestellt werden.

Jedes einzelne Kapitel schottisiert den Leser mit jeder Zeile. Doch das Highlight sind die erstklassigen Abbildungen! Exakt gegärtnerte Landschaftsoasen, feierliche Zeremonien mit blankgeputzten Uniformen, perfekt ins rechte Licht gesetzte Burgen und Schlösser, aussagekräftige Detailaufnahmen … ach, man müsste jetzt in Schottland sein. Denkt man sich bei jedem Umblättern. In der Umgebung von Edinburgh, der Hauptstadt Schottlands, liegt Lothian. Hier beginnt für die meisten der Kampf mit der Sprache. Setzt man sich – fast schon typisch schottisch – darüber hinweg, wird man mit rauer Natur belohnt.

Weiter im Westen, in den westlichen Highlands und auf den Hybriden, kann das sogar noch getoppt werden. Alles ein bisschen noch rauer, wilder, ungestümer, sehnsuchtsvoller.

Petra Woebke und Peter Sahla wecken nicht nur die Reiselust auf Schottland, sie haben auch gleich das fiebersenkende Mittelchen parat. Jetzt liegt es an einem selbst. Den Kopf voller Bilder, Ideen en masse für den nächsten Urlaub. Fehlt nur noch die Reise…

Voci di sicilia

Ein Land bereist man, weil man die Architektur sich ansehen will. Oder wegen der erholsamen Strände. Oder der abwechslungsreichen Geschichte. Weil man einen außergewöhnlichen Berg besteigen oder generell gern neue Landschaften erkunden will. Oder man will Orte besuchen, die man aus Filmen kennt und die einen sofort in den Bann ziehen. So wie es Sizilien macht. Ob man nun auf den Spuren des Paten wandelt, die wundervoll eingefangenen Drehorte von Wim Wenders‘ „Palermo shooting“ noch einmal abgeht, sofern man sie findet, die größte Insel des Mittelmeeres geizt nun wirklich nicht mit ihren zahlreichen Reizen. Und Sizilien bietet noch einen Grund mehr es zu bereisen: Die Stimmen des Landes, die Stimmen Siziliens.

Es sind bestimmt keine Stimmen, die sich hinter Zypressen verstecken. Sie treten ins Rampenlicht und künden vom Reichtum der Insel. Allen voran Etta Scollo.

Schon im ersten Kapitel über ihre Geburtsstadt Catania begreift man im Handumdrehen die Verbundenheit der Sizilianer zu ihrer Heimat. Ihre Umarmungen der nonna, der Oma, verwandeln sich im Nu in greifbare Erinnerungen. Einen weitaus nüchterneren Blick auf die Stadt hat dagegen Ambra Monterosso. Sie war jahrelang bei der Staatspolizei in Catania. Das Klischee der familienbewussten wischt sie mit wenigen Zeilen vom Tisch. Auch wenn sich die Mafia mittlerweile weniger offen darstellt, ist sie immer noch vorhanden. Was aber nichts am Reiz der Stadt ändert. Doch was wäre, wenn es keine Mafia gäbe? Dann wäre das Bild Catanias noch eindrucksvoller. Das macht sie nicht nur zwischen den Zeilen klar.

Etta Scollo gibt ihrer Heimat Sizilien, die sie einst verließ, um wiederzukehren mehr als nur eine Stimme. Von Palermo über Messina bis nach Caltanissetta eilt der Sängerin und Komponistin der Ruf als führende Stimme der Insel voraus. Bereitwillig breiten Schriftsteller, Philosophen und Politiker. Wie zum Beispiel Leoluca Orlando, der immer wieder gewählte Bürgermeister Palermos.

Noch ein Tipp: Das Buch gibt es in zwei Ausführungen. Unbedingt die Ausgabe verwenden, der eine CD mit Liedern von Etta Scollo beigelegt ist. Ihr glockenklare Stimme, ihr Timbre, ihre unvergleichliche Ausstrahlung gibt dem Buch den richtigen klangvollen Rahmen. Von ganz leisen Klängen bis hin zum stimmungsvollen canzone, das einen einfach nicht stillsitzen lässt, erklingt Sizilien in der ganzen Vielfalt seiner Bewohner. Ein Buch, das die angeordnete Quarantäne versüßen kann. Ein Buch, das Appetit macht sicilia umgehend zu bereisen und den Stimmen zu lauschen. Ein Buch, das niemanden unberührt lässt!