Wundholz

Södelstetten. Hier ist die Welt in Ordnung, wenn … ja wenn doch nicht alle nur um des lieben Friedens Willen irgendwie ordentlich einen an der Klatsche hätten! Irmgard Brandl hat man als den Ursprung allen Übels ausgemacht. Sobald es einen Grund zur Aufruhr gibt, ist sie dabei. Meistens ist sie jedoch sogar dessen Ausgangspunkt. Lautstark, renitent, streit- und vor allem angriffslustig. Charaktereigenschaften, die man in sein Profil auf einer Dating-App schreiben würde. Doch der Rest der Dorfgemeinschaft ist auch nicht viel besser. Wenn es nach dem Willen des Bürgermeisters ginge, würde jedes Vergehen gegen den Dorfahorn, der mittlerweile sogar ins Dorfwappen Einzug gehalten hat, mit biblischen Strafen belegt werden. Und dabei ist es egal welcher Spezies man angehört. Mensch, Idiot, Hund – gleiches Recht für alle.

Hier in Södelstetten ist die Welt ganz und gar nicht in Ordnung. Die einstige Dorfschönheit, die schon im Kindergarten mit ihren Reizen bekam, was andere nicht wollten, die die Bühnen der Welt erobern wollte, ist heute eine in sich gekehrte Frau, die an den Herd der Dorfgemeinschaft gefesselt ist. Lethargisch geht sie dem Tageswerk nach.

Der Bürgermeister sieht nur noch Gefahren von allen Seiten auf sich zukommen. Stammtischparolen bestimmen die Lage der Bewohner. Pferde werden ohne ersichtlichen Grund gemeuchelt. Die heile weiß-blaue Welt hat Konturen angenommen, die dem Außenstehenden einen Schauer über den Rücken jagen. Fast schon asiatisch wirkt dieses „Bloß-Nicht-Das-Gesicht-Verlieren“. Aber Asiatisches hat in Södelstetten nichts zu suchen. Selbst der Teufel macht um das Nest im Bayrischen einen Bogen. Hier hat er keine Macht mehr. Das besorgen die Einwohner schon selbst.

Anja Di Bortolomeo beschreibt mit spitzer Feder einen Flecken Erde, den man besser unter der Decke hält. In naturparadiesischer Umgebung gönnt man dem Anderen nicht das Schwarze unterm Fingernagel. Es werden Allianzen geschmiedet, nur um den eigenen Willen durchzusetzen und eine Haltung zu wahren, die derart perfide ist, dass alles Menschliche in den Seelen der Bewohner freiwillig Reißaus nimmt. Hier möchte man nicht tot überm Zaun hängen. Geht ja auch gar nicht, alle Zaunlatten sind bereits besetzt.

Dieser Erstling besticht durch die Geradlinigkeit der scharfen Zunge. So einen Ort gibt es nicht! Giftspritzen und Wadenbeißer sind das Salz in der Suppe, an der man sich die Lachmuskeln verbrennt. „Wundholz“ reißt keine Wunden auf, man reibt sich an ihm und wartet auf den Moment, wenn der Lachschmerz nachlässt.