Widerschein

Widerschein

Pfarrer Hobrecht staunt nicht schlecht als ihm ein Bündel in die Hand gedrückt wird. Der Verrückte, der ihm dieses Bündel gab, war hinlänglich bekannt. Doch das war selbst für ihn ein neuer Höhepunkt. Denn in dem Bündel lag ein kleiner Junge. Vater und Mutter verschwunden. Hobrecht nimmt sich des Kleinen an.

In den Niederlanden des 18. Jahrhunderts zehren die Menschen noch vom Goldenen Zeitalter als man die Meere beherrschte, eine Macht in jeder Hinsicht war. Erfindungsreich und strebsam – so kannte man die Niederländer. Doch andere Reiche machten ihnen den Ruf streitig. In dieser Zeit war auch die niederländische Kunst am Boden, wirtschaftlich gesehen. Künstler wie einst Rembrandt lebten nun von der Hand in den Mund.

Hobrecht nimmt den Kleinen Ferdinand Meerten bei sich auf. Der Kleine ist still. Doch er kann malen. Malen wie kein anderer Künstler. Ein verrußter Stock dient als Zeichenstift, Laken als Leinwand. Bros scheint der ideale Mentor Ferdinands zu sein. Auch er ist Künstler, kann von seiner Kunst gerade so leben. Als Hobrecht stirbt, nimmt Bros Ferdinand vollends zu sich. Das Talent erkennt er sofort. Der Meister ist verblüfft über die Fertigkeiten und in Gerlach haben beide einen euphorischen Abnehmer ihrer Kunst.

Gerlach ist ein gewiefter Kunsthändler, der sofort das große Geld wittert. Bros weigert sich zunächst noch einen Knebelvertrag mit Gerlach einzugehen. Denn hier ist wirklich Staat zu machen. Warum also dem Halsabschneider Gerlach die Früchte der Arbeit überlassen, wenn man selbst dem kargen Leben so einfach entfliehen kann? Doch auch Bros segnet früh das Zeitliche.

Die Geschichte des Ferdinand Meerten verzaubert wegen der sachlichen Mystik ab der ersten Seite. Brotlose Kunst – von wegen. Weder Held noch Autor befeuern dieses Klischee vom armen Künstler. Die Welt auf den Kopf stellend, wird das Genie Meerten nur ausgenutzt. Doch es bewahrt ihn auch vor so mancher Untat. Ein bisschen erinnert „Widerschein“ an Patrick Süßkinds „Parfüm“. Ist Grenouille Opfer seiner Kunst, ist sich Meerten seiner Wirkung nicht bewusst. Um ihn herum sterben die Gönner, die Ausbeuter überleben.

Ein mehr als lesenswerter Roman über das Zusammenspiel von künstlerischem Genie, Gier und der unermesslichen Wirkung der Kunst auf den Menschen.