Von der Bühne in die Welt – Unterwegs in Vietnam

Vor nicht allzu langer Zeit hat Michael Schottenberg die Bretter, die die Welt bedeuten, verlassen, um die Welt aufs Neue zu betreten. Als Theatermacher war er in Wien eine Institution, in Vietnam, wohin es ihn jetzt verschlägt, ist er einer unter vielen. Gut so!

Ein Vierzig-Liter-Rucksack, ein wenig Literatur, Brillen (für nah und fern), Tagebücher und den Kopf voller Ideen betritt er ein Welt, in der er das Publikum ist. Rollentausch der simpelsten Art. Der Zeitunterschied ist nur eine Zahl, der Kulturschock real und gar nicht so schlimm, wie man es vielleicht erwartet. Michael Schottenberg ist nicht auf alles vorbereitet, aber er hat seine Expedition gut durchdacht. Bis auf die Tatsache, dass seine Reisezeit in die Regenzeit fällt. Und so passiert es, dass Straßen zu Flüssen werden. Ein Heimweg von einem Restaurant oder einem Ausflug zum Hotel schnell zu einer Runde Schwimmen oder Rudern gerät. Schlimm? Nicht im Ansatz. Er hat sich die fünf Wochen Auszeit gewünscht, geplant, … verdient sowieso … und nun wird es auch durchgezogen.

Pauschalreisen kommt für den kreativen Kopf nicht in Frage, die Individualität ist es nicht wert für diese außergewöhnliche Reise aufgegeben zu werden. Das macht ihn nicht nur sympathisch, sondern dieses Buch zu einer hilfreichen Stütze für alle, die den gleichen Plan verfolgen.

Besonders angenehm für den neugierigen Leser ist die Tatsache, dass Michael Schottenberg frei jeglicher Vorurteile das Land bereist. Und so sind Überraschungen ein steter Begleiter auf seinen Touren durch Tempel, ehemalige Kriegsschauplätze, an verlassene Strände, in versteckte Hotels, über nebelverhangene Bergpfade und noch vieles mehr. So ruhig und gelassen die einzelnen Zeilen am Leser vorbeifliegen und das Blut in Wallung bringen, so umfangreich sind seine Eindrücke. Großzügig umgeht er die Fallen auf einzelne touristische Hotspots detailliert einzugehen. Das kann man eh alles in Reisebänden nachlesen.

Die Begegnungen mit den Menschen sind ihm wichtig. Ein Mopedtaxi jagt ihm zunächst Angst ein. Doch schon ein paar Tage in diesem Land lassen die Bedenken zusammen mit den Abgasen verfliegen. Wobei man zugeben muss, dass die Abgase länger in der Nase stecken bleiben als der Schrecken verbreitende Verkehr.

Unterwegs in Vietnam sein, heißt alles hinter sich zu lassen, was bisher als „normal“ galt. Ein offener Geist, keine Scheu auch mit unüberwindbarer Sprachbarriere auf Menschen zuzugehen sind zwei Grundvoraussetzungen, wochenlang am anderen Ende der Welt sich ein Stück zeitlich begrenzte Heimat zu schaffen. Michael Schottenberg gelingt es mit Bravour den Leser mit auf eine Reise zu nehmen, die nicht jedem (meist auf Zeitgründen) vergönnt ist. Die Lust auf Neues wird in jedem Absatz wie eine Krönung zelebriert, ohne dabei den Leser außen vor zu lassen.