Vintage

Zweihundertzweiundzwanzig Millionen für einen Kicker, der, wenn es gut läuft vielleicht zwei Jahrzehnte die Fans in den Stadien begeistern kann. Welchen Preis ist man bereit hinzublättern, wenn es um eine Gitarre geht, die weitaus mehr Jahrzehnte den Fans rund um den Globus und mehr als nur anderthalb Stunden am Stück in andere Sphären entführen kann? Und wer soll diesen Preis bezahlen?

Thomas Dupré soll es bald erfahren. Er spielt in einer Band, die kaum jemand hören will und schreibt Konzertkritiken, die kaum jemand liest. Und er jobbt in einem, Nein, DEM Gitarrenladen von Paris. Im Prestige Guitars. Wer hier kauft, kommt auch wegen der Les Paul Goldtop, Sonderedition All Gold von 1954. Ein Schotte – von wegen Schotten sind geizig – bezahlt Flug und Spesen für den jungen Gelegenheitsverkäufer. Alles ist geregelt.

Charles Dexter Winsley heißt der geheimnisvolle Käufer der All Gold. Ein mehr als passionierter Sammler, der in einem Anwesen wohnt, das Thomas sofort bekannt vorkommt. Es gehörte einmal Jimmy Page, dem Gitarristen von Led Zeppelin. Anders als viele Rockmusiker, die gern behaupten „sie alle gehabt zu haben“, ist Lord Winsley ein Sammler, der alle hat. Alle bis auf eine. Eine Gibson Moderne. Die fehlt ihm noch in der Sammlung, und Thomas soll ein gefälliger Helfer sein! Nicht für die Beschaffung derselben, sondern nur für den Beweis, dass es dieses Prachtstück, das angeblich Jimi Hendrix und Jimmy Page spielen durften, auch wirklich (noch) gibt. Lord Winsley benötigt nur den Beweis. Ein Wunder? Oder doch zum Scheitern verurteilter Höllentrip? Oder einfach nur die Story seines Lebens?

Die Suche nach der Vintage-Gitarre beginnt ganz zeitgemäß im Internet. Zu viele Spinner, die sich über ihren Schatz auslassen. Denn wer wirklich eine echte 57er Moderne besitzt, behält das für sich. So viel weiß Thomas schon. Denn wenn es eine echte Moderne ist, ist es ein Prototyp. Und der ist mehrere Millionen wert.

Sydney ist der erste Anhaltspunkt. Lord Winsley hat den entscheidenden Tipp gegeben. Ein japanischer Sammler rühmt sich das begehrte Sammlerstück zu besitzen. Doch die Spur führt zu einer wild zusammengewürfelten, nicht mal als Fake zu bezeichnenden Klampfe. Memphis scheint da schon eher eine heiße Spur zu sein. Bruce, ein abgehalfterter Elvis-Psychobilly-Bandleader liefert sich in einem Forum ein heißes Wortgefecht unter der Gürtellinie mit anderen Gitarrenexperten. Dank der Finanzspritzen vom Lord aus den Highlands ist der Trip gesichert. Doch Bruce unterlag beim Kauf einem folgenschweren Irrtum.

Grégoire Hervier schickt Thomas auf einen Rock-‘n-Roll-Roadtrip durch die Musikgeschichte und jagt ihn von Memphis den Mississippi entlang bis ins Delta, dann nach Chicago und New York. Die Zweifel werden größer und jeder Hinweis wischt diese schlagartig hinfort. Rock ‘n Roller wie Abenteurer werden ihre helle Freude am glockenklaren Klang der Worte haben. So sehr, dass das Ergebnis der Suche in den Hintergrund rückt. Die Fakten, die Grégoire Hervier auftischt sind echt. Die Story entspringt der Phantasie des Autors, fast schon wie die Legende von der Gibson Moderne von 1959…