Über das Marionettentheater

Wie an Fäden gezogen schweben die Figuren dahin. Die Gesetze der Physik scheinen sie zu ignorieren. Dabei sind sie die perfekten Anschauungsobjekte für eben diese Gesetze. Jeder Aktion folgt eine entsprechen Reaktion.

Ein junger Mann ist vom Spiel der Puppen derart fasziniert, dass sie ihn zu einem kleinen Ausflug in die Kunst der Puppenspieler inspirieren. Dieser junge Mann ist Heinrich von Kleist, der mit dem Krug und dem Richter. Die Geschichte ist nicht lang und liest sich wie ein funkelnder Reisebericht. Das Besondere an diesem Buch sind die vielsagenden Illustrationen von Hanna Jung.

Marionetten sind für die meisten der erste Kontakt mit der darstellenden Kunst. Kinder sehen beispielsweise wie Bewegungen von Menschenhand entstehen und sind baff erstaunt wie ein kleiner Wink eine so große Auswirkung haben kann. Als Erwachsener wird man beim Marionettenspiel vielleicht an die Kindheit erinnert oder sieht wie einfach doch so manche Faszination aufgebaut sein kann.

Und erst die prachtvollen Kostüme, bei denen sich jeder Designer mal so richtig austoben kann. Ein Fuchs mit eleganter Rüschenbluse, Jagdrock, Zylinder. Ein Reiher, dessen Gefieder durch die Farbkombination seiner Garderobe noch mehr zu glänzen scheint. Sie alle hängen nicht am sprichwörtlichen seidenen Faden, sondern am wortwörtlichen. Grazile Bewegungen sind ihnen anheimgefallen und sind ein Augenschmaus für jeden Betrachter. Denn der Leser verlässt mit dem Aufschlagen des Buches seine angestammte passive Position des stillen Lesers, um mit wachem Auge die Szenerie zu verfolgen.

Es sind Bücher wie dieses, die die Lust am Lesen, am Entdecken, am Forschen wieder entfachen. Dazu genügt nur eine Portion Lust und der Wille in eine Welt einzutauchen, die die Realität widerspiegelt und dennoch völlig losgelöst von ihr ist. Die zarten Farbenspiele, die Detailverliebtheit der einzelnen Figuren und der tiefergehende Text lassen beide Welten, diese und jene, miteinander verschmelzen.