Tochter des Geldes

Der Name Mentona Moser wird nur von wenigen Experten mit Ehrfurcht in den Mund genommen. Diejenigen, die sie noch nicht kennen, lernen in diesem Buch eine Frau kennen, die mit eben solcher Ehrfurcht vor dem Leben ein wahrhaft revolutionäres Gedankengut verbreitete.

Ihr Vorname geht auf die Stadt Menton zurück. Dort hatten ihre Eltern die wohl glücklichste Zeit ihres Lebens. Doch die Zweisamkeit währte nur kurz. Der Vater – Uhrenfabrikant mit dem besonderen Händchen für gute Geschäfte – starb kurz nach Mentonas Geburt. Was die Mutter den beiden Töchtern – Fanny war ein paar Jahre älter als Mentona – verschwieg, waren die Halbgeschwister. Eine Handvoll weiterer Mosers gab es in der Schweiz.

Fanny und Mentona wuchsen wohlbehütet – zu sehr unter der Fuchtel der eigensinnigen Mutter – in einem Schloss im Zürichsee auf. Die Halbinsel Au mit ihrer Flora und Fauna war besonders für Mentona ein Ort des Glücks. Wer die Strecke einmal mit dem Zug entlang des Sees zurückgelegt hat, weiß wovon die Rede ist. Doch die strenge Mutter sah es nicht gern, dass ihre Töchter, besonders Mentona, sich „eigenen Studien hingaben“. So suchte Mentona früh die Flucht. London war ihr erstes Exil, als Studienort. Hier lernte sie auch die Schattenseiten des Lebens kennen. Allerdings nur als Beobachterin. Sie selbst war von unermesslichem Reichtum. Die Fabriken des Vaters, Pfandbriefe und so mancher Franken auf der Bank machten sie zu einer der reichsten Nicht-Adeligen des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Doch goldene Löffel im Mund hinderte sie jedoch nie daran einen ungetrübten Blick auf die Welt zu haben.

Auf dem Berg Geld gluckte immer noch die kaltherzige Mutter. Ihrer Erstgeborenen Fanny enthielt sie ebenso Geld vor (Ihre Ehe mit einem Musiker war nicht gerade von Erfolg gekrönt) wie Mentona. Die verliebte sich nach ihrer Rückkehr nach Zürich ziemlich schnell in Hermann Balsiger, einen Sozialdemokraten, der wie sie für die Rechte der Rechtlosen eintrat. Mentona plante Spielplätze, machte sich für Ausbildungen im sozialen Bereich stark. Sie und Hermann waren ein unschlagbares Team, privat wie beruflich.

Doch dem Hoch der Gefühle folgt das Tief der Realität. Ihr Sohn Eduard erkrankt schwer. Nur durch das – späte – Eingreifen eines als Kurpfuscher bezeichneten Arztes kann das Schlimmste verhindert werden. Privat hat Mentona Moser weniger Glück. Die Ehe mit Hermann zerbricht. Ihr Kinderheim steht vor dem finanziellen Aus. Ihrer Schwester Fanny steht das Wasser bis zum Hals. Erst als Mentona Moser die Gründung der Kommunistischen Partei der Schweiz miterlebt, bekommt ihr Leben wieder einen Sinn. Die zwanziger Jahre – Mentona ist da schon in den 50ern und hat das Vermögen ihrer Familie geerbt – sind von Reisen in die neu gegründete Sowjetunion geprägt. Nach dem Tod Lenins wird ihr jedoch gewahr, dass nicht alles Gold ist, was den roten Stern trägt.

Eveline Hasler gibt der reichsten Revolutionärin der Welt ihren Namen zurück. Nur engagierte Geschichtslehrer haben die Feministin und Kommunistin in ihren Lehrstoff aufgenommen. Ihr Wirken ist bis heute nachvollziehbar – der St. Annahof in der Zürcher Bahnhofstraße war die Idee der Eheleute Moser-Balsiger. Mentona Mosers Leben ist ein glühendes Beispiel für den unbedingten Willen Veränderungen auch unter schwierigsten Umständen als unerfüllbar nicht abzustempeln. Mit Detailwissen und empathischen Stil gelingt Eveline Hasler ein besonderes Portrait einer besonderen Frau zu entwerfen.