Telling Time Kalender 2017

 

Telling Time 2017

Wer (bzw. was), wenn nicht die Zeit, soll uns erzählen? Vom Miteinander der Menschen, Kulturen, Religionen. Mehrdad Zaeri ist Illustrator und mit Marie Wolf hat er dem Buch Martin Bubers „Ich und Du“ ein bzw. vierundzwanzig eindrucksvolle Gesichter gegeben. Zwei Bilder pro Monat, die man selbst wählen kann. Denn jeder Monat wird komplett angezeigt, hat aber zwei Bilder. So kann man jeden zwischen Tagen die Bilder tauschen oder nach zwei Wochen oder oder oder …

Doch der Kalender ist kein reines Tagesanzeigeobjekt mit grafischer Aufarbeitung. Die Bilder sind der Hauptbestandteil des Kunstwerkes. Das Buch „Ich und Du“ stammt aus dem Jahr 1923. Martin Buber war Religionsphilosoph. Ihm ging es um den Dialog der Menschen, um sich kennenzulernen und einander zu verstehen. Denn nur, wer sich mit dem Anderen auseinandersetzt, kann ihn auch verstehen. Wie aktuell das Thema nach fast einhundert Jahren immer noch ist, wird jedem klar, der mit offenen Augen die Welt geht. Selbst die, die Augen vor Vielem verschließen dürfte das klar sein.

Mit jedem Umblättern – ob nun jeden Tag oder im Wochenrhythmus – wird dem Dialog ein Bildstatement gesetzt. Der gebürtige Iraner Mehrdad Zaeri und Marie Wolf, die in Berlin Kommunikationsdesign studierte, setzen Textpassagen aus „Ich und Du“ in Bilder um. Mit jedem Betrachten kommt man der Thematik näher. Immer wieder entdeckt man neue Facetten des Themas und setzt sich so mal bewusst, mal unterschwellig damit auseinander.

Flucht und Vertreibung sind mehr als nur ein Sommerthema, um die Saure-Gurken-Zeit zu überbrücken. Für aktive Politiker ist es die Herausforderung, die sie mehr oder weniger gut annehmen (können). Es ist Wahlkampfthema, Populismusfutter und der Grund für Zerwürfnisse ungeahnten Ausmaßes.

Da tut es gut, wenn Künstler wie Mehrdad Zaeri und Marie Wolf leise Töne anschlagen. Siepoltern nicht gleich los, schwingen nicht einmal ansatzweise die Radikalenkeule, sondern beweisen einmal mehr, dass die Feder um einiges schwerer wiegt als die Axt. Mit unterschiedlichen Stilen, sofern ein Laie das beurteilen kann, mal karikaturistisch, mal farbenfroh, mal bunt, mal strikt in Schwarz und Weiß interpretieren sie die abgedruckten Auszüge aus „Ich und Du“. In jedem Bild werden ganze Romane erzählt. Picknick im Wald, Flussfahrten, Kaffeepausen – das Zusammenleben findet nicht nur statt, wenn man es benennen kann. Keine Angst vor großen Tieren! Jeder, egal wer er ist, woher er kommt, was er vorhat, ist es wert, dass man sich mit ihm beschäftigt. So sollte man auch diesen Kalender eine Chance geben. Nicht jeden Tag wird man minutenlang davor verharren und sich fragen, was der Künstler damit aussagen wollte. Aber wenn man nur einmal pro Bild kurz innehält und in die Welt von Mehrdad Zaeri und Marie Wolf eintaucht, wird man merken, dass Kunst doch nicht so unverständlich ist wie sie oft verschrien wird.