Susana – Requiem für die Seele einer Frau

Susana

Pater Antonio muss sich in seiner kleinen Gemeinde irgendwo im Argentinien der Schreckensherrschaft des Militärs um seine Schäfchen kümmern. Es ist nicht das Argentinien ausgelassener Fußballfeste, auch nicht das Argentinien melancholischen Tangos. Es ist das Argentinien, indem jeder jedem misstraut, Menschen grund- und spurlos verschwinden. Sein Vorgesetzten und Kollegen raten ihm fortwährend, dass es sich nicht lohnt sich mit den Oberen anzulegen.

Eines Tages – wieder einer, an denen er die Predigt las, mehr nicht – fällt ihm eine junge Frau auf. Er kennt sie nicht, doch sie scheint ihn zu kennen. Nach langem Zögern – sie weiß nicht, ob er der Gesuchte ist, und er weiß nicht, ob er ihr vertrauen kann – übergibt sie ihm eine Schachtel. Dann ist sie fort. Verschwunden in der Staubwolke eines Fahrzeugs. Zögerlich öffnet er die Schachtel. In ihr liegen zusammengeknüllte Zettel, ohne jede Ordnung. Nach und nach setzt er die Puzzleteile zusammen. Die Wortfetzen lösen in ihm blankes Entsetzen aus. Er beginnt die Zettel zu ordnen. Es ist das Tagebuch von Susana. Sie wurde eines Morgens ohne Ankündigung aus dem elterlichen Haus gezerrt, verschleppt, vergewaltigt, bestialisch gefoltert und … da die Notizen eines Tages abrupt abbrechen, aller Wahrscheinlichkeit ermordet.

Der Pater sieht seine Arbeit unweigerlich nicht mehr nur als pure Seelsorge an. Die Aufzeichnungen, die er abschreibt und so für die Nachwelt erhalten will, politisieren ihn zusehends. Er muss erkennen, dass er die Autorin kennt und fragt sich, ob er ihr Schicksal positiv hätte beeinflussen können. Immer öfter plagen ihn die Gedanken an das, was er möglicherweise verhindern konnte. Schweißgebadet wacht er nachts auf.

Omar Rivabella schreibt über das düsterste Zeitalter argentinischer Geschichte. Unter General Videla und der Militärjunta wurden innerhalb von wenigen Jahren zehntausende Menschen verschleppt und auf Nimmerwiedersehen verscharrt. Bis heute demonstrieren die Madres de Plaza de Mayo, damit die Namen ihrer Kinder nicht vergessen werden. Die Zerrissenheit des Paters ist exemplarisch für Millionen von Argentiniern, die während der Diktatur Vermutungen hatten, aber keine Möglichkeit sahen ihr Wissen kund zu tun. Die Schergen der Junta konnten plötzlich in der Tür stehen und Tragödien unermesslichen Ausmaßes anrichten. Doch es gab auch Lichtblicke wie sie Susana erlebte. Einer der Wächter war mitverantwortlich, dass ihre Aufzeichnungen nach draußen gelangten.

„Susana – Requiem für die Seele einer Frau“ ist von solch beklemmender Nüchternheit, schonungslos und erbarmungswürdig, dass es einem schon ab den ersten Seiten die Kehle zuschnürt.