Superbuhei

August 1977, Graceland, Memphis, Tennessee. Ein Mann bricht tot in seinem riesigen Anwesen zusammen. 16. August 1977, Rahlstedt, mitten im norddeutschen nirgendwo. Aaron und Jesse erblicken das Licht der Welt. Der Mann in Memphis hieß Elvis, dann Aaron und mit Familiennamen Presley, der King of Rock ‘n Roll. In Rahlstedt heißt Aaron und Jesse mit Nachnamen Bronske. Und Jesse ist der Erstgeborene, benannt nach dem zweiten Zwilling des King, der tot zur Welt kam. Aarons und Jesses Vater war Elvis-Imitator mit beschränkten Fähigkeiten.

Jesse gehört das „Klaus Meine“, eine runtergekommene Kneipe, die dem norddeutschen Rockidol und Sänger Scorpions huldigt. Den ganzen Tag laufen nur Songs der Hannoveraner Band im Hintergrund, eine Devotionalie – ein signierter Tennisball – ziert die Kaschemme. Und das „Klaus Meine“ ist Teil des Superbuhei, eines Supermarktes, der das einzige Highlight in Langenhagen bildet.

So trostlos die Gegend hier ist, so trostlos ist auch Jesses Leben. Er liebt Mona, die Supermarktkassiererin. Warum weiß er auch nicht (mehr). Ihr Atem stinkt, ihre Figur wächst und wächst, leider in die falsche Richtung. Um wenigstens ein wenig Zeit für sich zu haben, mischt er ihr immer wieder ein bisschen Schlafmittel ins Essen.

Moin Tristesse, und hat eine Kehrseite. Jesse hat Angst. Sieht er Gespenster? Sie jagen ihm eine Höllenangst ein. Er schläft nur noch mit seinem Gewehr an seiner Seite. Auf der anderen Seite schnappt Mona immer nach Luft und verpestet mit ihrem Atem selbige. Jesse vermutet, dass Aaron zurück ist. Und Aaron bedeutet Ungemach, Ärger und vielleicht sogar Schlimmeres… Aaron ist gekommen, um Jesse zu töten und sich anschließend als Jesse auszugeben. Denn die beiden sehen sich zum Verwechseln ähnlich, so sehr, dass selbst ich Vater die beiden Bengel nicht auseinanderhalten kann.

Jesse verändert sich. Mona merkt das auch. Jesse ist auf einmal so ganz anders. Irgendwie aggressiv. Und im „Klaus Meine“ läuft’s auch nicht mehr so. Ist Aaron schon da?

Sven Amtsberg trifft mit jeder Silbe den richtigen Ton. Als Heavy-Metal- oder zumindest Hard-Rock-Fan fallen einem die Kapitelnamen auf, die von Scorpions-Songs stammen. Man muss kein Fan der Band sein, um die Trostlosigkeit mit der Monotonie des Band-Images zu erkennen. In Langenhagen regiert ab einem gewissen Alter die Resignation. Wer Träume hatte, is wech. Wer sie nicht umsetzen konnte, versauert im „Klaus Meine“. Und wenn dann doch mal was passiert, ist es meist nichts Gutes. Doch der Roman macht Hoffnung. So trist die Szenerie, so schwung- und humorvoll der Schreibstil. Jesse Bronske Herz schlägt noch im Takt des Lebens…