Seelenfrieden

So intensiv wurde Istanbul noch nie beschrieben! Mümtaz ist Istanbuler. Er ist es mit dem ganzen Herzen. Ein Mensch, den man gern um sich hat, weil er so warmherzig ist. Grüblerisch, sensibel, leidenschaftlich – wo wie Istanbul. Mümtaz ist Istanbul. Er leidet, wenn er leiden muss. Er lacht, wenn er lachen muss.

Und er lächelt als er Nuran trifft. Auch sie lächelt. Und für einen Sommer lang trägt jeder Tag, jede Minute, jeder Sonnenstrahl das Lächeln in sich, das Mümtaz und Nuran füreinander haben. Mümtaz schwärmt Nuran von Kristallen der Melodien vor, und sie auf ihn reflektieren. So blumig, so bildhaft, so farbenprächtig ist das Leben für ihn im Moment. Er ist erfahren genug zu wissen, dass es nicht immer so bleiben wird.

Wir sind in den 30er Jahren in Istanbul. Die Türkei hat sich in der jüngeren Vergangenheit rapide verändert und geöffnet. Mümtaz schwärmt von Wagner und Debussy gleichermaßen wie von einheimischen Musikern. Sanft greift er Nurans Hand und zeigt ihr Istanbul, die die große Stadt nur von Weitem kennt.

Nuran steht als geschiedene Frau immer noch bzw. wieder unter der Fuchtel ihrer Mutter. Frei sein ist anders. Doch Nuran sieht in Mümtaz mehr als nur einen Freund, er ist ihr Geliebter. Auch wenn sie es sich nicht von vornherein eingestehen will.

Die Leidenschaft, die Mümtaz und Nuran füreinander empfinden, ist der Nährboden für Suats Hass. Er will Nuran. Und er will nicht, dass es ein Mümtaz und Nuran gibt. Und er verbeißt sich in den Gedanken, die beiden Liebenden auseinander zu bringen.

Mümtaz, Nuran und Suat sind wie drei Säulen eines Lebens: Freude und Angst, Liebe und Hass, Vergangenheit und Zukunft. Wo Licht ist, ist auch Schatten. So hell die Liebe strahlt, so dunkel sind die Wolken der Verbitterung. Am anderen Ende des Mittelmeeres fallen schon die ersten faschistischen Bomben, während Istanbul aus dem Dunkel der Geschichte ins Hell der Moderne tritt. Kontinentaleuropa ist schon zerrissen – Istanbul und die Türkei versuchen gerade den Spalt zwischen Orient und Okzident zu kitten. Und mittendrin eine Liebesgeschichte, die exemplarisch wie keine andere für diese Zeit steht.

So kaltherzig, so grau, so unwirtlich die aktuelle in so manchen Augen erscheinen mag, so überbordend hoffnungsvoll, bunt und einladend ist Istanbul in den Worten von Ahmet Hamdi Tanpınar. Eine Liebeserklärung an Istanbul und das Leben, gleichzeitig die herzlichste Einladung an den Leser die gelesenen Zeilen hautnah zu erleben.