Pnin

Na das geht ja gut los! Timofey Pnin ist russischer Collegeprofessor in Waindell. Und das obwohl seine Englischkenntnisse immer noch des Öfteren zum Schmunzeln einladen. Er ist auf dem Weg nach Cremona, nicht das lombardische, berühmt für seine Streichinstrumentenbauer, sondern ein Städtchen in der Nähe seines Wohnortes. Um Zeit zu sparen nimmt er nicht den empfohlenen Zug, sondern den mit dem er sag und schreibe 14 Minuten Fahrweg spart. Wozu hat er sonst jahrelang Fahrpläne gesammelt, wenn er sie nicht gewinnbringend einsetzen kann. Blöd nur, dass die Fahrpläne allesamt veraltet sind. So muss er unterwegs Station machen, und den Bus nutzen, um am Ende des Tages zwei Stunden verloren zu haben. So ist er, unser Pnin. Der Umwelt immer einen Schritt voraus, doch der Zeit gnadenlos hinterherhinkend.

Pnin stolpert mehr durchs Leben als dass er einem wirklichen Plan folgt. Er ist ein gutherziger Mensch, den man einfach mögen muss. Doch er ist auch ein dankbares Opfer für Spott. Und sein Job ist auch nicht so sicher wie Pnin meint. Im Hintergrund ziehen jedoch Leute für ihn Strippen, die er kennt und mag, und die im Gegenzug auch ihn mögen.

Vladimir Nabokov wollt eigentlich seinen Helden sterben lassen. Diese Idee verwarf er und bereute sie niemals. Was ein Glück! Denn Timofey Pnin darf nicht sterben. Leute wie er – ein wenig aus dem Rahmen fallend ohne dabei Schaden anzurichten – braucht jede Gesellschaft. Sei sie auch noch so groß oder so klein!

Die einzigartige Aufmachung dieses Buches, das vor fast siebzig Jahren zum ersten Mal erschien, rücken Nabokov und einen fast schon vergessenen Roman ins Rampenlicht. Wer ihn nicht kennt, meint auf dem Cover „Pinn“ zu lesen. Doch nein, es heißt wirklich Pnin. Ein Russe, der vor der russischen Revolution floh (die Parallelen zu Nabokov sind unübersehbar) und über Paris in die Staaten kam. Der Sprache kaum mächtig, einen riesigen Wissensschatz im Gepäck, bleibt für ihn nur eine Möglichkeit zu überleben: Russisch zu unterrichten. Und das im Amerika der 50er Jahre! McCarthy wütet gerade erfolgreich und verteufelt alles, was auch nur im Ansatz die Farbe Rot in sich trägt. Diesen Aspekt lässt Nabokov außer Acht. Keine Hetzjagd, keine Anfeindungen wegen Pnins Herkunft. Dennoch ist Pnins Leben in den Staaten kein Zuckerschlecken. Das liegt in erster Linie an ihm selbst. Weiß er das? Egal! Pnin ist da, lebt und lässt andere daran teilhaben. Die knallbunten Zeichungen von Thomas M. Müller sind kein Widerspruch zum farblos erscheinenden Pnin – sie sind vielmehr eine Ergänzung seines Charakters.