Petit-Louis

Nur zwei Wochen. Nur zwei Wochen, dann ist alles wieder zuvor. Das dachten Henri und Jeanne als der Krieg losging. Petit-Louis, ihr Sohn ist gerade mal sechzehn. In ihre Pariser Wohnung dringt nur selten das Sonnenlicht, hat man sie im sechsten Stock erreicht, ist man außer Atem. Nur zwei Wochen sollte diese Idylle, und das ist es trotz aller Schwierigkeiten, dem Krieg weichen. Doch die Geschichte will es anders. Vier Jahre soll es dauern bis 1918 endlich wieder Frieden herrschen soll.

Henri wird sofort eingezogen. Kämpfen wird er in seinem Alter nicht, denkt Jeanne. Doch die Geschichte will es wieder anders. Dass Ihr Sohn eingezogen werden soll, auch das kann und vor allem will sich Jeanne nicht vorstellen. Petit-Louis ist so empfindsam, ein belesener, ruhiger, höflicher Junge. Durch den Männermangel in der Stadt begünstigt, findet er schnell Arbeit. Die Kollegen sind schroff und amüsieren sich über die Belesenheit ihres jungen Kollegen.

Nun muss auch Petit-Louis in den Krieg ziehen. Zusammen mit seinen Freunden ist er voller Enthusiasmus dem zivilen Leben den Rücken kehren zu können. Schon kurz nach der Mobilmachung (ein fürchterlicher Euphemismus, wenn man bedenkt, was dahinter steckt: Krieg, Elend, Tod, Verstümmelung, Krankheit – die Reihenfolge in der Aufzählung ist dabei das Einzige, was wirklich egal ist) merkt Petit-Louis die raschen Veränderungen. Plünderungen und Verrohung greifen postwendend um sich als klar wird, das Frankreich als Verbündeter Russlands gegen den so genannten Erbfeind ins Feld ziehen wird.

Hinter der Front ist das Soldatenleben einigermaßen erträglich, im Vergleich zu dem, was die Frontschweine so erzählen. Da kann man dem Vorgesetzten schon eine Krankheit vorspielen, zu Essen gibt es jedenfalls genug. Für Petit-Louis ist der Krieg bei Weitem nicht willkommen, aber mit Hindernissen zu ertragen.

Als der Krieg zu Ende ist, streicht Petit-Louis das petit aus seinem Namen. Wie selbstverständlich sitzt er am elterlichen Tisch auf Vaters Platz. Beide, Vater und Sohn haben den Krieg ohne größere Blessuren überstanden. Jetzt kann das richtige Leben losgehen. Eugène Dabit gelingt es mit nüchterner Distanz eingehende Erfahrungen – er selbst ist wie Petit-Louis 1898 geboren – aufzubereiten. Nicht alles im Roman hat er selbst so erlebt, vieles jedoch selbst mit ansehen müssen. Weniger drastisch als „Im Westen nichts Neues“, aber nicht weniger eindrucksvoll feuert Dabit gegen die Kriegstreiber und gibt dem einfachen Soldaten, der nichts anderes kennt als tumb Befehle befolgen zu müssen ein Gesicht. In seiner Schlichtheit ist dieses Antikriegsbuch ein Kleinod aus der Feder eines gefühlvollen Schreibers.