Paris, Exil

Es gab eine Zeit, in der Paris die Stadt des Lichts war, nicht, weil sie so wundervoll des Nachts erstrahlte, sondern weil hier der Funke Hoffnung noch ein wenig Erhellung im wahrsten Wortsinne versprühte. Es war die Zeit, in der in Deutschland die Lichter ausgingen. Wer fliehen konnte, tat es. Nicht wenige strandeten in der Seine-Metropole. Doch wie sollte es nun weitergehen?

Joseph Roth, Walter Benjamin, Hans Sahl oder Anna Seghers waren keine Auswanderer wie man sie heute im Fernsehen beim Scheitern und Sich-Wundern bestaunen / belächeln kann. Ihre Gedanken, ihre Schriften waren Gift für die neuen Herren und ihre neue Zeit. Doch auch in der Fremde war es nur allzu natürlich nach Essen, nach einem Dach über dem Kopf zu lechzen.

Judith N. Klein macht sich auf Spurensuche. Doch nicht der vor ihr liegende Weg ist das Ziel. Vielmehr hält sie eine literarische Rückschau auf dem Stadtplan von Paris. Während sie zielstrebig vom Leseplatz der Bibliothek aufbricht, stößt sie auf Hinterlassenschaften, erinnert sich an Textpassagen und ihr eigene Familie. Auch ihre Vorfahren flohen vor dem Terror der „Heimattreuen“. Es entsteht ein seltsam beklemmendes Gefühl. Paris als Sehnsuchtsort, als urlaubskassenplündernder Großstadtdschungel, der im Mix der Kulturen seine ganze Kraft entwickelt, wird zum Exilantenteppich, der einfach nicht abheben will. Dernier arrêt Paris.

Ihrer Verzweiflung machten die Autoren, die zwischen 1933 und 1940 Paris als Rettungsanker wahrnahmen, in ihren Schriften Luft. Kaum was zu essen, der eigenen Wurzeln beraubt, haltlos im Sturm, der über Europa toste. Immer wieder brennt Judith N. Klein dem Leser die Landmarken der Verdammnis ins Gedächtnis.

Ein Wanderführer ist dieses Buch keineswegs, sollte es auch nie werden. „Paris, Exil – Mehr Wandern als Wohnen“ der Untertitel nimmt es vorweg handelt vom Fortschritt, auch wenn der nicht immer gleich ins Auge sticht. Doch jeder Tag Leben, hieß zu dieser Zeit ein Tag mehr, Fortschritt. Das Buch rüttelt an den Nerven. Denn auch heute noch ist Paris Zufluchtsstätte für Gestrandete und Auswanderer wider Willen aus dem In- und Ausland.