Newton – Wie ein Arschloch das Universum neu erfand

Aktion gleich Reaktion. Er hätte es wissen müssen. Jede Aktion ruft eine gleichstarke Reaktion hervor. Doch Isaac Newton war dermaßen von sich überzeugt, dass Kritik an ihm abprallte wie ein Tennisball vom Center court. Oder besser, in ihm noch mehr Ehrgeiz hervorrief, der schon die Grenzen des guten Geschmacks übertrat.

Wenn man mit ihm spazieren ging, was ohnehin sehr selten vorkam, denn Newton war nicht unbedingt das, was man einen angenehmen Begleiter nannte, konnte es schon mal vorkommen, dass er wort- und grußlos umdrehte und sich seinen Forschungen hingab. Das war im 17. Jahrhundert. Forschung bedeutete damals eigentlich nur, dass man sein Wissen fast schon prahlerisch kundtat und wenn Fragen aufkamen sie mit einem Handstreich hinfort wischte. Physik, Chemie, oder gar Mathematik zu studieren, war nicht mit den Fächern der Gegenwart zu vergleichen. Auch die Literaturlisten, die am Anfang des Semesters ausgegeben wurden, waren eher übersichtliche Notizen denn echte Listen.

Isaac Newton wird in den Jahren nach seinem Tod 1727 (nach gregorianischem Kalender) als der Erfinder der heute gängigen Physik bezeichnet. Alles, was heute unter dem Begriff Physik erforscht wird, geht auf ihn zurück … salopp gesagt. Ihn als Urvater der Physik anzuerkennen, ist aber mehr Ehrerbietung als Wahrheit. Seine Forschungen dienen bis heute jedoch als Grundlagen. Die Geschichte vom Apfel, der ihm auf den Kopf fiel, und er somit der Erdanziehung auf die Spur kam, ist im Land der legenden anzusiedeln. Wahrscheinlicher ist es, das Newton bei einem seiner Spaziergänge eventuell einen fallenden Apfel beobachtet hat und einem ihm eigenen gedankenblitz hatte. Wie auch immer, dass alles, was hier bei uns den Halt verliert, nach unten fällt, ist Fakt. Ihn zu erklären, die Grundlagen für diese Erklärung zu schaffen, ist Newtons Verdienst.

Doch jede Medaille hat zwei Seiten. Newtons Rückseite ist wahrlich schwarz, tiefschwarz. Denn charakterlich war er – wenn man Autor Florian Freisetter, selbst Astrophysiker in Jena, glauben darf – nicht der angenehmste Geselle. Wer ihm in die Quere kam, bekam die Wucht seiner Wut zu spüren. Plagiatsvorwürfe und ein nicht gerade soziales Verhalten brachten ihm den Ruf als Arschloch ein. Legendär sein Streit mit seinem deutschen Pendant Gottfried Wilhelm Leibniz. Die Missachtung des Anderen betraf aber beide Parteien. Die Diskreditierung der Arbeiten ging ziemlich weit. Man stelle sich vor, dass soziale Netzwerke damals schon bestanden hätten. Der Krieg der Posts wäre in die Geschichte eingegangen.

Florian Freistetter nimmt kein Blatt vor den Mund, um Isaac Newton zu würdigen, ihn aber gehörig den Kopf zu waschen. Als Akademiker war Newton ein Revolutionär. Aber einer, der sich nicht vollständig von der Vorstellung eines höheren Wesens, das all unsere Geschicke leitet, lösen konnte. Als Wächter der königlichen Münzprägestätte ging Newton mit Geschick und unbändigem Einsatz gegen Fälschungen vor. Theologie und Alchemie (die heute wahrlich nicht mehr als ernstzunehmende Wissenschaft im engeren Sinne angesehen wird) waren ihm genauso nah wie die Beleuchtung der Bewegung innerhalb unseres Sonnensystems. Einstein gilt heute als der genialste Kopf der Physik. Doch auch er wäre ohne Newtons Vorarbeit nicht weit vorangeschritten. Einstein war einfach sympathischer. Und deswegen ist er vielen heute näher als Isaac Newton. Er hätte es wissen müssen…