Mrs. Calibans Geheimnis

Das Radio ist die einzige Abwechslung in Dorothy Calibans monotonem Alltag. Fred, ihr Gatte ist bei der Arbeit. Sie kümmert sich darum, dass die Teppiche staubfrei sind, der Boden glänzt und das Essen auf dem Tisch steht, wenn es auf dem Tisch stehen soll. Beschwert sie sich? Nicht die Spur. Nur wenn Estelle ihre Freundin mal vorbeischaut, schüttelt sie ab und zu den Kopf über ihr tristes Leben. Das Radio ist da schon aufregender. Da erfährt man so allerlei aus aller Welt. Von ausgebrochenen Monstern zum Beispiel, die gleich um die Ecke die Füße in die Hand genommen haben.

In letzter Zeit jedoch hört Dorothy Nachrichten, die wohl nur für sie bestimmt zu sein scheinen. Sie werde noch ein Kind bekommen. Alles werde gut. Nichts Beunruhigendes, schließlich muss das Essen pünktlich auf dem Tisch stehen. Ach, da ist er schon. Fred kommt nach Hause. Ach nee, doch nicht. Sieht irgendwie komisch aus, das da. Das, was da plötzlich – ohne Schrecken zu erregen – im Haus steht. Wie ein Frosch. Ein überdimensionaler Frosch. Und das Ding kann sprechen. Sogar ganz gewählt. Höflich. Wirkt ein bisschen traurig, das Ding da, was da durch die Hintertür ins Haus kam. Fred kommt auch gleich, aber der kommt durch die Vordertür. Mies gelaunt und abweisend wie eh und je.

Larry, so heißt das Monster, ist da von ganz anderem Kaliber. Er hilft im Haushalt, ist aufmerksam, genießt die Anwesenheit von Dorothy. Gemeinsam schauen sie Talkshows, die Muppets-Show ist für ihn der Höhepunkt des Tages. Nachts hingegen ist er allein. Dann kann er aber raus auf die Straßen. Im Auto herumfahren, wie man eines kurzschließt, hat er im Fernsehen gesehen. Und er ist Dorothy ein guter Liebhaber. Anfangs ein wenig ungeschickt – er will ihr das Nachthemd nach unten wegziehen, merkt aber ziemlich schnell, dass der andere Weg funktioniert – ist er für Dorothy fast schon der verwunschene Prinz, den sie nie zu suchen glaubte.

Jedes Glück hat einmal ein Ende. Im Märchen verwandelt sich der Frosch in einen Prinzen und alle leben glücklich bis ans Ende ihrer Tage. Bei Rachel Ingalls kommt das Ende mit der Erkenntnis, dass Fred doch nicht so gefühlskalt ist, wie er Dorothy immer erscheint. Allerdings zeigt er sein anderes Gesicht einer anderen, der Tochter von Estelle. Das Drama nimmt seinen Lauf…

„Mrs. Calibans Geheimnis“ ist die gelungene Fortsetzung des Märchens vom Froschkönig. Denn mit der Heirat – Dorothy Caliban kann davon mehr als ein Lied singen – ist das perfekte Leben im besten Fall eingeläutet. Mehr auch nicht. Man muss sich schon festhalten, um beim Lesen nicht vom Sessel zu rutschen. Larry, Schwiegersohntyp und Pefect-Lover in einem gewöhnungsbedürftigen Körper, sucht in der Welt, in die er ausgebrochen ist, Halt zu finden. Dorothy kann allen Unkenrufen zum Trotz ihm diesen Halt geben. Doch sie selbst ist es, die Halt sucht. Zwei Suchende auf ihrem Weg ins Glück. Geheimnisvoll und poetisch von der ersten bis zur letzten Zeile.