Meister Floh

Wenn einem heutzutage oft zu willkürlich eine geschliffene Sprache vorgeworfen wird – „weil man spricht heute anders als früher“ – so sollte man diesen Sprachverteuflern dieses Werk um die Ohren hauen. Ausufernde Wortketten, exakte Zeichensetzung und wohl überlegte Formulierungen, die sicherlich im heutigen Sprachgebrauch inhaltlich überarbeitet, dennoch derart betörend geschliffen ans Ohr dringen, sind eine Wohltat im Strudel des kurzen Informationsaustauschs. Da ist zum Beispiel der Eheherr, der seinem Knaben den wundervollen Namen Peregrinus verleiht. Und eben dieser Peregrinus Tyß ist ein gemachter Mann. Mit einer besonderen Gemütsart. Und einer Weiberscheu. Unwillkürlich übersetzt man diese Worte automatisch ins aktuell gültige Deutsch. Einmal tief Durchatmen. Und weiter geht’s.

Peregrinus Tyß ist wieder in Frankfurt. Nach jahrelanger Abwesenheit – Lehrjahre, die bekanntlich keine Herrenjahre sind – kehrt er als gemachter (Kauf-) Mann in sein Elternhaus zurück. Die Eltern sind nicht mehr. Doch ihm ist einsam. Eine Depression würde man heute sagen, hat ihn ergriffen. Er erinnert sich an seine Kindheit- verbringt Weihnachten wie einst. Kauft sogar die gleichen Spielsachen. Bis auf eine Schachtel, die ist verschwunden, ist alles so wie damals. Und dann auch wieder nicht. Die Befriedigung aus Kindertagen ist wie weggeblasen. Und so schenkt er die Spielsachen den Kindern von Buchbinder Lämmerhirt. Hier trifft er eine junge Frau, die seinem Kindermädchen verdammt ähnlich sieht. Und die hat auch noch die verschwundene Schachtel dabei. Ab jetzt entspinnt sich eine Phantasiereise, die man selbst lesen muss. Denn Realität und Vorstellung verschwimmen auf seltsame Weise…

Sieben Abenteuer schreibt E. T. A. Hoffmann seinem Peregrinus Tyß auf den Leib. Er wirbelt ihn durch die Luft wie ein Zirkusartist, lässt ihn fallen und hebt ihn behutsam wieder auf. Allein schon das erste Abenteuer lässt die Kraft der Gedanken mit jedem Satz spürbar werden. Eindrucksvoll in Szene gesetzt durch die Illustrationen von Alexander Pavlenko.

Die teils ausufernden Endlossätze, die gedrückte Stimmungslage des Protagonisten und die vernebelte Szenerie bilden die Dreifaltigkeit für die einzig gültigen gestalterischen Mittel, die dieses Buch zu einem Erlebnis für die Sinne machen. Das Buch wurde von Beginn an zensiert. Erst ein knappes Jahrhundert später war es in voller Pracht erhältlich. Und nun auch in der ihm gebührenden Form.