Meier

Tief einatmen, und wieder ausatmen. Ein paar Schritte gehen, dann noch ein paar, und immer weiter. Meier kann ab diesem Zeitpunkt so weit laufen wie er will. Bis vor wenigen Augenblicken war das nicht so, zehn Jahre lang. Da saß er im Knast. Mord. Frauenmord. Es war’s nich. Sagt er, und das ist die Wahrheit. Trotzdem: Knast. Zwölf Jahre sollten es sein, zehn sind’s schlussendlich geworden. Drinnen hat er aufgepasst. Auf sich, die Anderen. Nun ist er draußen. Ein neuer Mensch. Mit Erfahrungen wie sie wenige machen. Gregory hat ihm gesagt, er könne zu Wassily fahren. Er könne ihm helfen, wenn er ihm einen mehr als zwanzigstelligen Code nennt. Was der öffnet oder nicht, interessiert Meier nicht die Spur. Doch es öffnet ihm Türen. Zuerst die zu Wassily. Wenn er was brauche, könne er jederzeit zu Wassily kommen…

Ja. Meier saß im Knast für etwas, das er nicht getan hat. Er hat sich arrangiert. Fast schon seinen Frieden mit der Ungerechtigkeit gemacht. Und momentan kann ihn eh nichts mehr schocken. Er ist draußen, kann mehr als sechs Schritte gehen ohne an Mauern zu stoßen. Beinahe könnte man mit Meier Mitleid haben. Nur etwas mehr als dreihundert Euro in der Tasche, die mittlerweile auf nicht mal dreißig zusammengeschrumpft sind. unschuldig im Knast. Doch dann lässt Tommie Goerz Meier einen Plan haben. Und die Geldknappheit in einen zeitlich begrenzten monetären Höhenflug verwandeln. Kurz gesagt: Meier klaut ein Auto, samt Geldkarte, hebt ein paar Tausender ab, mietet sich in einer Pension ein. Ein Kind von Traurigkeit sieht anders aus.

Mit allerlei Tricks und noch mehr Gaunereien muss sich Meier um seine finanzielle Basis nicht sorgen. Er hat immer Geld. Es gibt immer einen, der unvorsichtig ist. Dass das auch anderen auffällt, ist nur eine Begleiterscheinung. Man versucht ihn, Meier, zu bestehlen, die Polizei versucht ihn mit sehr durchschaubaren einmal mehr zu überführen – Meier besitzt genug Chuzpe, um allen möglichen Fallstricken zu entziehen. Doch dann fällt der Name Fürsattl. Es wird Zeit für Meier sich seiner Vergangenheit zu stellen…

Glauser-Preis 2021 für Meier! Zurecht! Tommie Goerz wirft einen Helden in die Krimi-Arena, der eigentlich gar nicht dazu taugt. Ein unreuiger Sünder, der für etwas büßen muss, was andere zu verantworten haben. Rache ist nicht sein Ding, bis ihm doch noch rechtzeitig klar wird, dass er durchaus dieser Berufung folgen kann. Was als stilles Gedankenspiel im hinteren Oberstübchen begann, betritt spät, doch nicht zu spät den Salon der Perfiditäten. Was Meier einst genommen wurde, kann ihm niemals jemand zurückgeben. Aber wer sagt denn, dass Geben seliger als nehmen ist?