Lippen abwischen und lächeln

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Die (erste) Frage lautet: Ist das Alltägliche buchtauglich? Ja, wenn … der König (mit Rädern unten dran) der deutschen Vokabular-Maximalanwendung sich an Werk macht, dann schon. Und nun das Best of… seiner Texte, die prachtvollsten aus diesem Jahrtausend und ein paar von früher. Jeder Text ein Schenkelklopfer für den aufgeklärten, modernen Leser. Max Goldt zwingt den Leser nicht unbedingt zwischen den Zeilen zu lesen. Er ist da ganz offen. Jeder kann lesen, was er sich ausgedacht hat.

Er legt den Finger in die Wunde der Kleinbürger. Die scheinbar geregelte Welt der Spießer und Möchtegern-Großbürger in Ost und West. Könnten Bienen fliegen, dann wäre dieses Buch die unabdingbare Alternative zum verschnupften Herbstwetter mit all seinen Unbilden. Die Zeiten, in denen „betrunkene Frauen“ per „Kaiserschnitt“ das „schimmlige Brot“ „aus dem Leibe der Erde gerissen“ wurde, sind vorbei. Es überwiegt die Faszination, was man alles aus dem Alltäglichen ziehen kann, um es in Buchform zu veröffentlichen.

Max Goldt ist weit entfernt von Banalitäten. Doch man muss sich auf die Texte einlassen können. Von gesponserten Ausflügen in die Wüste bis zu S-Bahn-Fahrten hat Max Goldt alles in diesem Buch versammelt, was man heutzutage alles machen kann. Und an allem findet er was Spannendes, Berichtenswertes. Er redet von planvoller Zeitvergeudung, Coolness-Handicaps bei Paul McCartney oder redundantem Meinungsausfluss, pardon Meinungsausfluß. Auf das ß legt er besonderen Wert.

„Lippen abwischen und lächeln“ ist nichts anderes als das gesunde, regionale Produkt, das unser eingefahrenes Leben mit einem Schuss gutem Gewissen – endlich mal was Gutes zu lesen – aus dem Angeln hebt. Kleine Appetithäppchen, die schnell süchtig machen. Dieses Buch reicht, um den Herbst zu überstehen. Erst einmal durchlesen, dann Stück für Stück noch einmal lesen und dann noch einmal und … Und nicht vergessen: „Lippen abwischen und lächeln“!