Joseph – Der schwarze Mozart

Wolfgang Amadeus Mozart, Joseph Haydn, Christoph Willibald Gluck – kennt man. Ihre Musik klingt unvermindert weiter. Und das wird auch noch Jahrhunderte so weitergehen. Doch wer kennt schon die Werke von Joseph Boulogne? Einem Offizier der Königlichen Garde unter Ludwig XV., dem Chevalier de Saint-George. Wohl kaum jemand, der nicht eine auserlesene Klassik-(Pardon, Früh-Klassik!) Sammlung sein eigen nennt. Es sind vielleicht auch nicht so sehr die Werke, die ihn berühmt machen könnten. Es ist vielmehr sein Leben.

Mitte des 18. Jahrhunderts wurde er auf Guadeloupe geboren. Sein Vater war ein angesehener Plantagenbesitzer auf der Karibikinsel. Seine Mutter war eine Sklavin. Joseph war also ein Bastard, das Ergebnis einer Affäre. Der Vater erkennt den Sohn an und nach einigen Jahren findet sich Joseph in Frankreich wieder. Guadeloupe ist weit weg. Die Geschehnisse auf der Insel – sein Vater ist dort kein Ehrenmann mehr – liegen weit hinter ihm.

Als Fechtkünstler sorgt er für Furore in einem Paris, das in einem Jahrhundert die Kommune erwartet und schon bald die Revolution der Welt anführen wird. Öffentliche Schaukämpfe bringen ihm bald einen achtungsvollen Ruf ein. Wer sich mit ihm anlegt, spurt alsbald die kalte Klinge der Rache. Man erkennt ihn auf der Straße. Auch und gerade wegen seiner Hautfarbe. Er ist einer von einhundertsechzig Schwarzen in Paris.

Doch das ist nur eine Seite der Bekanntheit. Schon als Kind bekam er Musikunterricht. Sein Geigenspiel ist nicht minder virtuos wie seine Klingenführung. Als Kapellmeister führt er Haydn auf. Gluck ist sein Idol, ihm will er nacheifern. Joseph reist. Unter anderem nach England, wo er dem Bruder des Königs eine Lektion erteilt. Mit dem Degen. Bewusste Demütigung oder jugendlicher Überschwang? Weder noch. Warum soll er sein Talent verstecken. Der Bruder des Königs fordert ihn geradezu heraus sein ganzes Können zu zeigen.

Doch Joseph nutzt diese Reise auch zu seiner ganz persönlichen Rache. Als seine leibliche Mutter als Sklavin aus dem Senegal in die neue Welt verschleppt wurde, tat man ihr Leid an. Joseph findet den Übeltäter und übt Vergeltung. Als die Revolution in Frankreich wütet, Plünderungen das öffentliche Leben zur permanenten Gefahr werden, Köpfe rollen, die vorher als unverrückbar galten, sinkt der Stern des schwarzen Stars von Paris. Er kämpft wieder. Mordet, wieder. Zeit, die Erinnerungen niederzuschreiben.

Jan Jacob Mulder ist der willige Helfer einer der spannendsten Figuren in der französischen Geschichte. Joseph Boulogne wirkt in diesem historischen Roman manchmal wie ein Draufgänger, dem man postwendend seinen Degen wegnehmen sollte – er könnte sonst noch jemanden verletzen. Zum Anderen ist er Künstler durch und durch. Er komponiert wie eine Besessener und versucht seiner Kunst einen unverwechselbaren Stempel aufzudrücken. Ist er dabei glücklich? Vereinzelt sprießt der jugendliche Frohsinn hervor. Oft jedoch ist Joseph Boulogne ein Getriebener. Als Leser kann man sich mit ihm identifizieren. Er kämpft immer auf der Seite derjenigen, denen es nicht so gut geht wie ihm selbst. Er setzt sich für die Abschaffung der Sklaverei ein, wenn nötig auch mit der Waffe in der Hand. Sein Liebesleben ist prall. Seine Kunst allerdings ist bei all dem Kämpfen und Rächen fast in Vergessenheit geraten.