In Liebe, Dein Vaterland II: Der Untergang

Der Wahnsinn geht weiter! Nordkorea hat sich in Fukuoka eingerichtet. Die abgetrennte japanische Provinz (Japans Regierung hat keinen Mumm eigenes Territorium zu verteidigen und überlässt die Halbinsel ihrem Schicksal) ist fest in nordkoreanischer Hand. Im Fernsehen läuft Propaganda. Und für die nachrückenden Einheiten, immerhin 120.000 Soldaten, wird bald schon eine kleine Stadt in der Stadt entstehen. Das kurbelt die Wirtschaft an. Freie Marktwirtschaft unter staatlicher Kontrolle. Volksverräter – und nur die Invasoren bestimmen wer Freund und wer Feind ist – werden ausgemacht und ihr Leben ausgelöscht.

Im Krieg gibt es, laut General von Clausewitz, einfache Regeln. Es gibt nur eine Nummer Eins – sie agiert. Es gibt nur eine Nummer Zwei – sie reagiert auf die Aktion von Nummer Eins. Und es gibt zahlreiche kleine „Nummern Drei“ – sie versetzen mit kleinen Nadelstichen Nummer Eins und Zwei immer wieder kleinere Blessuren. Sobald jedoch die Nummer Eins beginnt auf die Aktionen von Nummer Zwei zu reagieren, schwächt man die eigene Position. Aber ganz ehrlich: Am spannendsten ist die Nummer Drei. Mori und Toyohara gehören dieser Nummer Drei an. Ihr Leben ist nach offizieller Lesart eh nicht viel wert. Toyohara wuchs bei seinem Großvater auf. Ein ehrenwerter Mann mit ruhmreicher Ahnenlinie. Eines Tages beschloss er seine Mutter zu finden, stieg in den Zug und wurde prompt erwischt (Schwarzfahren ist ein gefährliches Unterfangen, wie man gleich sehen wird). Am nächsten Tag versuchte er es noch einmal. Dieses Mal mit einem Samurai-Schwert, eines aus Großvaters Sammlung. Ein Schaffner überlebte die freundliche Aufforderung den Zug zu verlassen nicht… Mori ist nicht minder aggressiv, hat außerdem ein sehr auffälliges Äußeres. Fast wie eine Eule.

Nur zwei Menschen aus einer Gruppe, die in der abgeriegelten Zone den Truppen folgen und ihrem Anführer Bericht erstatten. Sie sind die Nummer Drei. Sie stehen zwischen den Fronten. Auf der einen Seite sind sie japanisch, verachten aber die gegenwärtige Situation, die es ihnen verbietet ein „normales Leben“ führen zu können. Sie sind Anarchisten, Terroristen, teils sogar soziopathisch veranlagte Gangster.

Die Nordkoreaner sehen sich bald schon einer neuen Herausforderung gegenüber. Denn mit einer plumpen Invasion ist die Inbesitznahme Japans (beziehungsweise eines Teils davon) noch lange nicht erfolgreich.

Ryū Murakami lässt dem Leser keine Chance. Lachend und weinend zugleich liest man sich durch ein Szenario, das in der gegenwärtigen Situation gar nicht mehr so unwahrscheinlich erscheinen mag. Ehemalige, unverrückbare Bündnispartner drehen Japan den Rücken zu und lächeln Nordkorea an. Die schwache Regierung eines an sich starken Landes (wohl eher eine starke Wirtschaft, was die Abwendung der Amerikaner mehr als erklärlich macht) ist nach jahrzehntelanger intellektuell progressiver Hirnverfettung ist kopf- und planlos. Die politischen Gegner sehen nun ihre Chance gekommen nicht mehr nur Nadelstiche zu setzen, sondern gezielt höhere Positionen anzustreben.

Die satirischen Übertreibungen sind derart real geschrieben, dass es für diese Dystopie nur eine Devise gibt: Eine Lesemuss für jeden geistig aktiven Menschen!