Happy birthday, Türke!

„Alles Liebe zum Geburtstag, Gesundheit und Glück“, sagt man so, wenn man jemandem zu seinem Ehrentag gratuliert. Kemal Kayankaya bekommt nicht mal diese Floskeln um die Ohren gehauen. ’Ne Flasche Whiskey und Kippen sind seine Begleiter am Jahrestag seiner Geburt. Unrasiert beginnt er den Tag mit einem tiefen Lungenzug. Ein harter Hund, ja, das ist er. Privatschnüffler mit schlagkräftigen Argumenten und einer Schnauze, die jedem Ganoven die Kinnlade offen stehen lässt. Tja, wieder ein Jahr älter und immer noch kein festes, geregeltes und vor allem ausreichendes Einkommen.

Als der Kater so langsam beginnt seine Runden außerhalb Kemals Kopfes zu drehen, scheint ein Sonnenstrahl das Grau des Tages zu erhellen. Ein Auftrag. Die Witwe eines Landsmannes beauftragt das Rauhbein den Mörder ihres Gatten zu finden. Der hat vor ein paar Tagen (glücklich?!) das Zeitliche gesegnet. Im Hinterzimmer, im Hinterhaus, in der hintersten Ecke des Frankfurter Bahnhofviertels. Dort, wo die Mädchen … naja Sie wissen schon. Die Polizei versteckt sich hinter Routine und bringt keine zählbaren Ergebnisse hervor. Deswegen hockt nun die Witwe beim Geburtstagskind und klagt ihr Leid. Da es sich um den Auftakt einer Krimireihe, einer der erfolgreichsten überhaupt, handelt, kann man es ahnen: Der Fall wird gelöst.

Man soll nichts und niemanden nach seinem Äußeren beurteilen. Schon gar nicht Bücher! Doch im Fall von Jakob Arjounis „Happy birthday, Türke!“ in der grandios gestalteten Neuauflage von edition büchergilde wird die Ausnahme von der Regel zur neuen Norm. Für eine Type wie Kemal Kayankaya hat die Farbpalette Schwarz und Grau, vielleicht noch ein schmutziges Grün oder Braun erfunden. Und nun das! Pink, Rosa, Violett – fehlen nur noch die Blümchen. So einer kann doch nicht im Rotlichtmilieu ermitteln! Oh doch, und wie! Philip Waechter zeichnet hierfür verantwortlich.

Auf den ersten Blick ist die Farbwahl gewöhnungsbedürftig. Pink und bäng-bäng geht eigentlich gar nicht. Doch in Japan gilt ja auch Gelb als bedrohliche Farbe. Also warum nicht pink für den Kebab-Mann?! Hippe Teens tragen ja auch keine Bluejeans. Echte Kerle – solche wie Kemal Kayankaya – können alles tragen, auch pink. Denn erst, wenn man sich an die außergewöhnliche Farbe gewöhnt hat und der Kern zum Vorschein kommt, treten ihre eigentlichen Charakterzüge aus dem Schatten.

In dieser Ausgabe des schon als Klassiker zu bezeichnenden Buches des viel zu früh verstorbenen Jakob Arjouni ist der Tabubruch Programm. Zum Einen ist es der Ermittler selbst, der nur sich selbst gegenüber Rechenschaft ablegen will und wird, niemandem sonst. Zum Zweiten ist es die grafische Umsetzung des Erfolgsromans. Für Fans, für Einsteiger, für Querdenker, für Feingeister, für Ästheten.