Hätte ich Dein Gesicht

Das Leben in Seoul könnte so schön sein. So ereignisreich. So erfüllt und aufmerksamkeitserregend. Wenn man denn das richtige Aussehen hat. So oberflächlich es sich anhört, so oberflächlich ist es auch.

Doch für Kritik an ihrem Stil interessiert sich Kyuri nicht. Sie arbeitet in einem so genannten Room-Salon. Dort unterhält sie reiche Geschäftsmänner. Die fühlen sich pudelwohl in ihrer Gesellschaft. Dass der Druck auf der jungen Frau enorm ist, bemerken sie nicht mal ansatzweise. Wollen sie auch nicht. Und Kyuri mit dem bildhübschen Gesicht unternimmt auch alles, um dem Stress kein Gesicht zu geben. Was tut man nicht alles, um erfolgreich zu wirken?!

Miho scheint es bereits geschafft zu haben, das so schön, ereignisreiche, erfüllte Leben zu führen. Ihre Kunstwerke werden anerkannt, verkaufen sich gut. Mehr oder weniger unfreiwillig bewegt sie sich in einem elitären Kreis.

Davon kann Ara nur träumen. Als Friseurin steht sie auf der anderen Seite des Scheins der heilen Welt. Seit ihrer Kindheit ist sie stumm. Ihre Welt ist die Welt des K-Pops. Ihre Lieblingsband versorgt sie anhaltend mit Musik, und das Management der Band mit Dauerklatsch und –tratsch. Auch sie träumt davon dieser Scheinwelt zu entkommen, sich in reale Abenteuer stürzen zu dürfen.

Die frisch verheiratete Wonna will aus ihrem genormten Leben ausbrechen. Drei Fehlgeburten hat sich schon hinter sich. Ihr Mann betrachtet es als Norm mit einer Frau ein geordnetes Leben zu führen. Gefühle und emotionale Ausbrüche gehören nicht dazu. Dass seine Mutter dem jungen Glück permanent auf der Spur ist, um es gelinde auszudrücken – Wonnas Schwiegermutter kontrolliert das gesamte Leben, gibt unerwünschte Ratschläge etc. – lässt das junge Glück schnell ersticken.

Vier Frauen, die auf unterschiedliche Art und Weise ihren Lebensweg beschreiten. Immer auf der Suche nach Aufmerksamkeit und dem großen Glück, das für einige mit Schönheitsoperationen gleichzusetzen ist. Die Oberflächlichkeit als Projektionsfläche für die eigene Perfektion – daran muss man sich gewöhnen, als Leser. Die ersten Kapitel – jede der Vier erzählt aus ihrem Leben – sind der erwartete Kulturschock für alle, die dem Klischee, dass der asiatische, im Speziellen koreanische Lebensstil so ganz anders ist als der eigene.

Jede hat schon jung viel erlebt, um genug Stoff für eine eigene Biographie zu haben. Als vor rund zehn Jahren das erste Mal der so genannte Gangnam-Style durch das Web geisterte, war es eine neue Welt, die persifliert wurde. Francis Cha schreibt unumwunden über eine Welt, die jede Feministin auf die Palme treibt. Ein Leben zwischen Gefallsucht und den Erwartungen der Familie und der Gesellschaft ist für jede der Vier eine Gratwanderung auf der Rasierklinge.