Gespenster- und Schauergeschichten

Gespenster- und Schauergeschichten

Dank Regisseuren wie Eli Roth, Quentin Tarantino und Robert Rodriguez sind wir an Horror wieder gewöhnt. Ihre literarischen Wurzeln hingegen liegen noch gut erreichbar in den Regalen der Verlage. Ripperger & Kremers wagen nun den Anfang erstklassige Gänsehautgeschichten aus der zweiten Reihe ans Tageslicht zu gewöhnen. Man ist schon recht verwöhnt, wenn in Filmen detailliert das bestialische Abtrennen von Ohren gezeigt wird, oder ein Bein mehr oder weniger fachgerecht seiner Funktion beraubt wird. Optisch für Viele fragwürdig, für Kenner ein filmischer Genuss. Und wie haben sich im vorletzten (und davor) die Menschen in Gruselstimmung versetzt? Ganz einfach! Sie lasen. Sie lasen Friedrich Gerstäcker, E. T. A. Hoffmann und Jean Paul. Denn die hatten auch so manches Schauermärchen niedergeschrieben. Heute leider vergessen. Beziehungsweise fast vergessen.

Die „Gespenster- und Schauergeschichten“ im gleichnamigen Band verführen mit jeder einzelnen Zeile. Dringendes, liebevollstes Flehen, unüberwindlichste Abscheu, Schwärzeste Ahnung – allein die nuancenreiche Wortwahl lässt einem so manche Horror-Plattitüde vergessen. Wer Horror liebt, wer sich phantasiereich im Zeilenwirrwarr zurechtfinden kann, wer die Gänsehaut spüren will, kommt an diesen Großmeistern der Blutwallung nicht vorbei.

Wer jetzt hofft, dass an dieser Stelle die eine oder andere Geschichte vorgestellt wird, hofft vergebens. Denn diese Art von Geschichten leben von der Spannung und der Vorfreude auf das, was da noch kommen mag. Nur so viel: Gerstäcker als Wild-West-Romantiker ist passé. Jean Paul als ewiger Romantiker – das war einmal (obwohl Grusel und Romantik gar nicht so weit voneinander entfernt liegen). Nur E. T. A. Hoffmann verbindet man landläufig mit einem Hauch Mystik und Schauer. In den für dieses Buch ausgewählten Geschichten weiß auch der Letzte warum.

Sprachfetischisten werden dieses Buch kaum wieder aus der Hand legen. Wie ein unablässiger Todeshauch zieht es den Leser in den Bann der Geschichten. Verlassene Schlösser, Geister, die ihr Unwesen treiben, mannhafte Ritter, die sich in die Rüstung machen, Kleidungsstücke, die den Träger zu Taten veranlassen, die er andererseits nie begehen würde, sind die Zutaten für ein Buch der Extraklasse.

Die Gestaltung des Umschlages – kaltes Blau, das bei genauerem Hinsehen Schrecken vorwegnimmt – trägt schon beim Erstkontakt zum Gruseln bei. Hier stimmt einfach alles: Außen hui, inne huihuihui.