Fußball in Berlin

Fußball in BerlinIch bin ein Fan von Hertha! Is erstmal ‘n Statement. Aber welche Hertha? Literatur-Nobelpreisträgerin Hertha Müller? Politik-Dauer-Nörglerin Hertha Däubler-Gmelin? Oder doch Hertha Suurbier, die mit der eigenen Fahne…

Dann doch lieber Hertha BSC. Als Fußballfan eines Hauptstadtvereins hat man in England die Qual der Wahl – Chelsea, Arsenal, Tottenham ganz oben mit dabei, West Ham, Crystal Palace, Fulham eher Kellerkinder. In Frankreich ist es der Hauptstadtclub PSG, der seit einiger Zeit den Ton angibt – und wie! Italiens römische Vereine sticheln gern und oft, aber Meister kommen dann doch von „weiter oben“. Und in Deutschland? Von den 54 Vereinen, die jemals in der Bundesliga gespielt haben – ja, auch vorher wurde schon Fußball gespielt, aber … – hat sich der Hauptstadtclub auf Platz Zwölf der ewigen Bundesligatabelle eingerichtet. Nicht schlecht! Aber ohne Titel eben. Die letzte Meisterfeier stammt aus den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Im Ostteil der einst geteilten Stadt wurde dagegen regelmäßig der Meistertitel gefeiert. Allerdings hatten da höhere Mächtige ihre Hände im Spiel, echte Menschenfreunde wie sie meinten…

Noch einmal zur Ewigen Tabelle. Ein Berliner Verein führt diese an – allerdings nur, wenn man sie auf den Kopf stellt: Der SC Tasmania 1900 Berlin. Acht kümmerliche Punkte nach der Dreipunktregel. Zur aktiven Zeit  der Verein ist mittlerweile Pleite – waren es sogar nur sechs Punkte. Zwei Siege, zwei Unentschieden. Und sagenhafte einhundertacht Gegentore. Das ist Fußball in Berlin! Nicht ganz. Meint zumindest Henry Werner, Autor des Buches „Fußball in Berlin“. Und er hat recht!

In Berlin wurde 1897 der erste Fußballverband gegründet, im „Dustren Keller“ in der Bergmannstraße 107, unweit des Flughafens Tempelhof. Das Buch ist mehr als ein Almanach der Punkteverteilung. Historische Plakate wie dem von den Internationalen Fußball-Wettspielen, fotografischen Zeugnissen u.a. von Viktoria Berlin und den Gründungsvätern des BFV oder auch athletischen Momentaufnahmen des Weltsports Fußball. Die Texte strotzen nur so von Fachwissen.

Über einhundert Jahre Fußballgeschichte aus und in einer der bedeutendsten Städte der Welt, deren Veränderungen Jahrzehnte, gar Jahrhunderte bewegten und immer noch bewegen. Auch wer kein Fußballfan eines Berliner Vereins ist – und Vereine gibt es hier mehr als Baustellen – wird sich an diesem Buch erfreuen können. Immer wieder streut der Autor kleine Anekdoten ein, die man einfach nicht kennen kann, wenn man es nicht selbst erlebt hat. Wie die der „Spartaner“. Ernst Fuhry gründete diese sektenartige Mannschaft in der dunkelsten Zeit Deutschlands. Nationalsozialistische Ideologien paarten sich mit kruden Idealen, die den Spielern wirklich jeden Spaß am Leben verdarben. Doch ihr Spielstil war einzigartig: Fair, ritterlich, aufopferungsvoll und ohne Fouls und Tacklings. Das war selbst den Machthabern suspekt. Fuhry selbst wurde denunziert, verfolgte aber – ganz Sportsmann – stur seine Linie. Die Spartaner wurden dem Post-SV untergeordnet, das war das Ende der Spartaner. Dennoch wurden sie in der Saison 1937/38 ungeschlagen Berliner Meister. In 27 Spielen kassierten sie lediglich 17 Gegentore.

Bildband oder Nachschlagewerk? Das ist hier nicht die Frage! Fußballfieber zwischen zwei Buchdeckeln trifft es eher. Das Großformat trägt der Bedeutung der Stadt als Fußball-Dauerbrenner Rechnung. Wer Berlin besucht, kommt irgendwann auch am Olympiastadion vorbei – auf der letzten Umschlagseite mit der „Berliner Fußball-Karte“ übrigens als Standort „3:10“ gekennzeichnet. Spätestens hier wird auch der neutrale Beobachter vom Fußballfieber gepackt. Für echte Fans müssen nicht immer die Alte Försterei oder der Jahnsportpark sein…