Eine Zeit der Stille

Solch ein Klischee lässt man sich nicht entgehen. Im Kloster findet jeder die Ruhe, die er sucht. Patrick Leigh Fermor braucht sie, um ein Buch zu schreiben. Und zwar über das Ruhefinden im Kloster. Beißt sich da der Hund in den Schwanz? Wohl kaum.

Als gestandener Reiseschriftsteller, fast schon als Abenteurer zu bezeichnender Autor, hat er sich penibel auf sein neuestes Abenteuer vorbereitet. Sein Wissen über die Geheimnisse der ehrwürdigen Gemäuer ist umfangreich. Dennoch kann er nicht einschätzen, was ihn erwartet. Und das ist auch gut so. Zahlen und Fakten auf der einen Seite, gespannte Erwartungen auf der Anderen. So betritt er St. Wandrille in Frankreich, eine Abtei nordwestlich von Rouen, unweit der Seine. Postkartenidylle damals wie heute. Und ja, er wird die Ruhe finden, die es ihm erlaubt sein Buch zu beginnen, mit Geschichte(n) zu füllen und später zu veröffentlichen. Das Ergebnis hält der Leser in der Hand, und genießt den Entstehungsprozess.

In der Folge bereist er Solesme im Norden Frankreichs, La Grand Trappe im Dreieck Paris, Caen, Le Mans und die Felsenklöster in Kappadokien in der Türkei. Dort steht die Wiege des Mönchswesens überhaupt. Nun kann man dieses Buch als Reiseanleitung verstehen. Tipps zum Benehmen inklusive. Es sind vor allem einprägsame Reisereportagen, die nach Jahrzehnten nichts von ihrer Spannkraft verloren haben. Althergebrachte Rituale wie das Geißeln, was schon zur Besuchszeit Fermors fast nur noch symbolischen Wert hatte, stechen unter den Beschreibungen des Klosterlebens hervor.

Fermor rückt bewusst den Alltag in den Vordergrund seiner Betrachtungen und was sie mit ihm machten. Als Untermalung dient ihm seine enorme Lektüre, durch die er wahre Schätze erkennt. Weltliche wie ideologische Schätze. „Eine Zeit der Stille“ ist nicht das erste Buch über die (begrenzte) Zeit im Kloster. Und es war auch nicht das letzte Buch. Würde es eine Rangliste zu diesem Thema geben, dann ist dem Autor die Medaille samt Podestplatz sicher. Ohne viel Tamtam und wildes Spekulieren oder gar Werten lässt er die Bewohner und ihr Tun für sich sprechen. Nicht jeder ist für das Leben im Kloster gemacht. Aussteiger sind Fermor genauso nahe wie diejenigen, die ihr Kosterleben als wahre Berufung ansehen.

Vielleicht wird man nicht zwingend ruhiger bei der Lektüre, reicher an Wissen, offener für die Beweggründe hier zu leben und verständnisvoller für eine andere Lebenseinstellung wird man allemal. Patrick Leigh Fermor gebührt der Dank dafür ein nicht nur durchs Schlüsselloch geschaut zu haben, sondern manch schwergängiges Tor weit aufgestoßen zu haben.