Eine moderne Familie

Man hätte es kommen sehen müssen. Sverre und Torill, der Wilde und die Donnernde. Wenn man nach den Namen geht. Aber es ging alles gut. Sverre und Torill sind glücklich verheiratet. Haben drei Kinder, die allesamt aus dem Gröbsten raus sind und dem glücklichen Paar auch schon zwei Enkel schenkten. Sverre feiert nun seinen 70. Geburtstag. In Italien. Mit der ganzen Familie. Eine Zusammenkunft, die bis auf das zu feiernde Jubiläum wie alle anderen ablaufen wird. Ja, so denken alle. Doch Sverre und Torill haben eine Überraschung für Liv, Ellen und Håkon, ihre Kinder. Sie wollen nicht nur, sie werden sich scheiden lassen!

Wäre dieser Roman ein typischer amerikanischer Film, wäre der Plot klar. Alle rennen aufgeregt hin und her. Reden nur noch darüber, was die Anderen von der Scheidung halten. Machen sich gegenseitig Vorwürfe. Und die, die es betrifft, machen sich beim Cocktail darüber lustig. Am Ende sind alle zufrieden und fahren nach Hause. Wenn‘s gut läuft an der Kinokasse, gibt’s eine Fortsetzung und schlimmstenfalls ein Musical. Aber Helga Flatland ist keine Amerikanerin, die für Hollywood schreibt, und „Eine moderne Familie“ ist mitnichten amerikanisch. Sondern norwegisch. Und Norwegen ist 2019 das Partnerland der Frankfurter Buchmesse.

Helga Flatland gibt ihren Figuren das Rüstzeug an die Hand mit dieser Situation umgehen zu können. Denn jeder hat seine eigenen Probleme. Liv, die Große, hat selbst zwei Kinder. Als sie die Große wurde – als Ellen zur Welt kam – war das für die die größte denkbare Änderung in ihrem Leben. Als Ellen dann auch noch schneller „erwachsen“ wurde – also körperlich – begann der Zorn Livs auf die kleine Schwester. Erst als Liv schwanger wurde und sah, dass Ellen noch viel sehnlicher sich ein Kind wünschte, was bis heute nicht geklappt hat, kamen sich Liv und Ellen wieder näher.

Die Rahmenhandlung – die angekündigte Trennung der Eltern – dient allen Gästen als Spielweise, um über ihr eigenes Leben noch einmal nachzudenken.

Wer bin ich? Wohin will ich? Nur zwei Fragen. Die jedoch so existenziell sind, dass man es sich nicht traut die Antwort zu verweigern. Mit viel Hingabe zu ihren Figuren erlaubt sich Helga Flatland einen Riesenspaß und formt eine Minigesellschaft, die nur so und nicht anders funktionieren kann. Dieses Buch ist wie ein Urlaub, an den man sich wegen der guten Gespräche erinnern wird, nicht wegen der Sehenswürdigkeiten, die man besichtigt hat.