Ein Tag wird kommen

Ja, es wird der Tag kommen, an dem … ja was? Das Glück an die Tür klopft? Die Regeln der Vergangenheit gebrochen werden? Alle wieder versöhnt sind? Giulia Caminito verwebt in unnachahmlicher Weise die Geschichte ihre Ahnen mit der ihr eigenen Phantasie.

Es ist die Geschichte ihres Urgroßvaters Nicola und seines Bruders, Lupo. Der Wolf. In den Marken, in einem Dorf, das scheinbar fernab von allen Problemen der Zeit und der Welt dem Lauf des Lebens eine Heimat bietet. In der Familie wurde niemand alt. Alle starben früh. In dem Ort verging die Zeit ohne dass jemand groß Notiz davon nahm. Man lebte vor sich hin, nebeneinander her, miteinander – so wie Leben nun einmal ist.

Lupo und Nicola teilen alles: Haus, Bett, Tisch. Nur nicht die Ansichten wie man leben sollte.

Parallel dazu wird die Geschichte von Sour Carla erzählt. Und die Geschichte einer Entführung. Und von der Macht, inklusive Machenschaften der Kirche. Mehr wird an dieser Stelle nicht verraten. „Ein Tag wird kommen“ lebt von unerwarteten Wendungen.

Und das Buch lebt von der ungeheuren Wortwucht der Autorin. Ihre Protagonisten sind einfache Leute. Ihnen ist es nicht in die Wiege gelegt worden blumig ihrem Frust Luft zu machen. Ihre Worte gehen direkt ins Herz. Rau, roh, unumwunden macht man sich im Ort klar, was Sache ist. Giulia Caminito lässt keinen Zweifel daran, dass sie alle ihre Figuren innig liebt. Jeder hat seine Macken – wie im richtigen Leben! Die Spuren des harten Lebens sind weithin sichtbar und lassen den Leser nicht mehr los.

Sätze wie Donnerhall, die keine zwei Meinungen zulassen, sind nicht nur das Salz in der Suppe, sie sind alle Zutaten zu gleichen Teilen.

An keiner Stelle des Buches vermutet man ein happy end, auf das man sich über zweihundertfünfzig Seiten lang freuen kann. Dennoch liest man Seite für Seite mit einem freudigen Gefühl, weil man weiß, dass hier echte Gefühle die Handlung vorantreiben. Manchmal schmerzt es der Familie tatenlos zusehen zu müssen, wenn ihnen das Schicksal wieder einmal einen fetten Strich durch die Rechnung macht. Im Gegenzug weiß man aber nur zu genau, dass jeder der Beteiligten aus den ihm zugeworfenen Zitronen Limonade machen wird.

Dieser Roman ist es wert immer wieder entdeckt zu werden. Still und Lärm, Liebe und Verachtung gehen in nie gekannter Einigkeit über die Grenzen von Erwartungen hinweg.