Ein Sonntag auf dem Lande

Das Leben hat es gut gemeint mit Monsieur Ladmiral. Mitte siebzig ist er mittlerweile. Ein erfülltes Leben liegt hinter ihm. In Saint-Ange-des-bois hat er ein gemütliches Häuschen gefunden. Kurz vor den Toren von Paris. Der Garten ist vorzeigbar und zum Bahnhof braucht man nur acht Minuten. Monsieur Ladmiral benötigt aber immer länger, das Alter halt. Doch mit stoischer Ruhe schiebt er die verlängerte Laufzeit zum Bahnhof auf die Unzuverlässigkeit der Bahn. Das amüsiert ihn insgeheim. Für Mercédès, seine Hausangestellte, ist es eine willkommene Gelegenheit ihrem Chef ein wenig Gegenwehr zu verabreichen.

Die kleinen Beschwerden über das Älterwerden pflegt Monsieur Ladmiral. Genauso wie den sonntäglichen Besuch seines Sohnes Gonzague. Seit Jahr und Tag kommt er regelmäßig mit seiner Frau Thérèse, den Jungens Emile und Lucien sowie der kleine Mireille zu Besuch. Leidige Pflicht auf beiden Seiten. Wobei der Alte die Besuche genießt. Die kleine Mireille ist für ihn der Jungbrunnen, in den er gern steigt. Für Gonzague, der von seiner Frau bevorzugt Edouard genannt wird – sein richtiger Name, Gonzague behagt ihr keineswegs – ist es jedes Mal ein Graus.

Denn Monsieur Ladmiral hält mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg. Wohl geraten ist er wohl, sein Sohn. Doch als eine Ausgeburt an Esprit würde ihn wohl kaum jemand bezeichnen. Das Geld reicht, und wenn nicht, bekommt er großzügig eine Lohnerhöhung. Für Thérèse eine nicht zu unterschätzende Stütze… Monsieur mag die nur allzu gewöhnliche Schwiegertochter keineswegs. Und so vergeht der Sonntag mit kleinen Fotzeleien, die Gonzague über sich ergehen lässt und der Alte ohne groß nachzudenken, großzügig verteilt. Bis … ja bis Irène eintrifft. Sie ist der Wirbelwind in der Familie. Und Gonzagues Schwester. Ein Plappermaul, das mit ihrem Elan davon abzulenken versucht, dass ihre Einnahmequellen eventuelle nicht den üblichen Standrads entsprechen könnten. Für Monsieur Ladmiral eine willkommene Abwechslung. Denn sie bekommt er nicht jeden Sonntag vor die Augen. Gonzague sieht in Irène eher eine Bedrohung.

Pierre Bost gehörte in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu den produktivsten und viel gelesenen Autoren Frankreichs. Dies ist sein letzter Roman, die letzten Jahrzehnte seines Lebens schuf er kein weiteres Werk und widmete sich Autorenaufträgen für Filme. Mit jeder Zeile dieses Miniromans dringt die ländliche Idylle tiefer und tiefer ins Herz des Lesers. Das Grün des üppigen Gartens, das Rascheln des Laubes, die Unbekümmertheit der Zeit ergreifen von einem Besitz. Die Neckereien der erwachsenen Geschwister ist greifbar, doch sind beide erwachsen genug nicht vor dem Vater ausfallend zu werden. Ihm gehört der gesamte Respekt. Gonzague verbindet die Vergänglichkeit mit Angst, Iréne ist tief im Hier und Jetzt verwurzelt. Und Monsieur Ladmiral weiß, dass er eh nichts mehr ändern kann. Den Lebensgenuss jedoch kann ihm keiner und nichts wegnehmen.